2.01 Entwicklung eines Neuen Standards

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Die Entwicklung der Methode beginnt nicht erst mit dem ersten Artikel Kleins unter dem Titel Versuch eines graphischen Verfahrens zur Bewertung von Kleinwohnungsgrundrissen, der die Schritte der Methode bereits ausformuliert, sondern schon lange davor. Wie bereits hervorgehoben, ordnet sich Klein keiner der damals prägenden Architektengruppen zu, sondern arbeitet weitgehend eigenständig an Ansätzen und Ideen, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen – seine Arbeit an neun Grundrisslösungen lässt sich bis auf die ersten Projekte in Russland nachvollziehen. Zuerst möchte ich hier also einen Einblick in Kleins Denken und Arbeiten vor der eigentlichen Entstehung der Methode geben.

Inhalte

Vorschritte zur Methode

Die Suche nach der Qualität im Grundriss ist ein treibendes Motiv für Klein, das ich im vorangegangenen Kapitel erwähnt habe. Er entzog sich einer klaren politischen Position und lotete jeweils unter den gegebenen strukturellen Bedingungen die bestmögliche Grundrisskonfiguration aus – nicht ohne dabei auch Kritik an den strukturellen Rahmenbedingungen seiner Zeit zu üben. Diese pragmatische, realpolitische Herangehensweise zieht sich als roter Faden durch seine Arbeit. Selbst 1932, bei seinem letzten umgesetzten Projekt in Berlin, wird deutlich: Klein hat sich unter den sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen entwickelt.

Das Wohnprojekt am Körnerpark hatte Klein zuerst anhand von Grundrissstudien erarbeitet, die durch eine Laubengangerschließung auf eine geringe Baukörpertiefe abzielten. Das Grundstück zwang ihn jedoch zur Blockrandbebauung mit mehrspänniger Erschließung, was zu einer Gebäudetiefe von 11 Metern und damit zu einer klassischen Grundrisstypologie mit zentralem Flur führte. Er identifizierte jedoch einen anderen Punkt, den es zu verbessern galt: Die Heizung. Eine Zentralheizung wurde von der Hausverwaltung abgelehnt, eine Ofenheizung hätte zu viel Platz in den kleinen Wohnungen eingenommen, daher entschied sich Klein für den Einbau einer Etagenheizung in jeder Wohnung. Ein Komfort, der weit über dem üblichen Standard lag

Der Forschende Praktiker – Forschen, Planen, Bauen, Kommunizieren

Das Beispiel macht auch Kleins grundsätzliche Arbeitsweise deutlich. Die Entwicklung der Methode erfolgte aus der Verankerung in der eigenen Zeichen- und Entwurfspraxis. Klein erarbeitete Wettbewerbsbeiträge und untersuchte gleichzeitig zeichnerische Fragestellungen im Entwurf für Publikationen. So näherte er sich schrittweise über das Zeichnen als Methode inhaltlich den Aspekten an, die später als Grundlage für die Bewertungsparameter Eingang in die vergleichende Methode fanden.

Dass diese Verknüpfung, bzw. der Ursprung in der theoretischen Auseinandersetzung nicht von allen Zeitgenossen goutiert wurde, lassen die Quellen aber ebenso erkennen. In einem Kommentar zur GAGFAH-Demonstrationssiedlung am Fischtalgrund in Berlin Zehlendorf – eine Art Gegenveranstaltung zur Weißenhofsiedlung in Stuttgart – bei der Klein ein Projekt umsetzen konnte, heißt es: „Nun dürften auch endlich die Kritiker zum Schweigen gebracht sein, die Alexander Klein bislang noch den Vorwurf machen, er sei nur Theoretiker und in der Praxis sähe alles ganz anders aus.“ Über die 20 Jahre Berufspraxis, die Klein mitunter bei Großprojekten in Russland sammelte, war wenig bekannt.

Parallel zu seiner aktiven zeichnerisch-planerischen Arbeit und dem Bauen stellte die Publikation – und damit Kommunikation – seiner Erkenntnisse einen zentralen Teil seines Schaffens heraus. Während seiner Zeit in Deutschland publizierte Klein die meisten Beiträge und Fachartikel. Die Einbindung in Wasmuths Monatshefte für Baukunst (WMB) ab 1925 und der Sprachraum, der ihm damit eröffnet wurde, trugen erheblich zur Entwicklung und dem Bekanntwerden der Methode bei. Allein in WMB veröffentlichte Klein rund 30 Artikel. Er publizierte seine Erkenntnisse darüber hinaus in Bauwelt, Die Baugilde, Die Wohnung, sowie in internationalen Fachmagazinen.

Das Graphische Verfahren als allgemeingültiger Ansatz

Bereits vor dem Niederschreiben der eigentlichen Methode finden sich in Kleins Texten Kriterienlisten, die die Hauptmerkmale seiner Entwürfe generalisieren und/oder die Hauptaspekte seiner Gedankengänge fassen, auflisten und damit auf ein Methodisieren hindeuten. Die Listen finden sich in mehreren Publikationen und begleiten auch den Artikel Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft. Er formulierte Forderungen „des modernen Kleinwohnungswesens […], wie sie wohl jeder Architekt, dessen Hände nicht durch ‚Rentabilitäts-Erwägungen‘ gebunden sind, durchführen möchte.“ – also mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Klein wählte die Bezeichnung der Graphischen Methode bewusst. Es ging ihm auch um die Abbildbarkeit des Ergebnisses und darum, die Zeichnung als eine allgemeingültige Sprache zu etablieren, die gleichzeitig Ausdrucks- und Bewertungsform ist: frei von Deutungen und Missverständnissen. Architekten sollten mithilfe der Methode zeichnerisch die geometrische Analyse mit der räumlichen Qualitätsbeurteilung zusammenführen. Die Graphische Statik, eine Methode aus der Bauingenieurswissenschaft, die sich Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte, dürfte Klein aus dem baupraktischen Kontext ebenso bekannt gewesen sein. Auf dem zeichnerischen Weg mittels Lineal, Zirkel und Maßstab werden statische Probleme „konstruiert“ und gelöst, ohne dabei auf algebraische Gleichungssysteme zurückzugreifen.

Auch andere wissenschaftliche Zugänge, die zu dieser Zeit Ansätze der zeichnerischen Übersetzung einführten. Die Parallele zur Graphischen Statik ist auch deswegen besonders interessant, weil die Methode derselben Logik folgt wie Klein in seiner Arbeit: Die Zeichnung ist nicht nur Darstellung, sondern operatives Mittel der Lösungsfindung.

Der Aspekt der Verwissenschaftlichung der Darstellung, der bereits im vorigen Kapitel im Rahmen der allgemeinen Betrachtung angeschnitten wurde, lässt sich auch bei Klein ablesen: Tabellen und Vergleichsmaße ergänzen die Methode schon im ersten Entwicklungsschritt und werden sukzessive ausgebaut.

(Wettbewerbs-)Praxis als Entwicklungschance

Klaus-Ulrich Stöhner untersucht Klein in seiner Dissertation durch die Entwurfspraxis und die Entwicklungsstufen der Grundrisstypen. Die Arbeit strukturiert sich entlang der Projekte Kleins und zeigt damit auf, wie wichtig die (Wettbewerbs-)Praxis für Klein war, da er elementare Ansätze bereits hier umsetzten konnte. Zwischen 1922–1927 beteiligte sich Klein an insgesamt sieben Wettbewerben in Berlin und Moskau, konnte allerdings keinen Bauauftrag erringen. Die Reziprozität zwischen Kleins Entwurfsarbeit und der theoretischen Analysearbeit erfordert einen Blick auf seine umgesetzten und nicht umgesetzten Projekte. Klein nahm an Wettbewerben teil und fertigte Studien im Rahmen eigener Projekte an, wobei den Wohnprojekten hinsichtlich der Graphischen Methode die größere Bedeutung zukommt:
1 - Wohnhäuser Tempelhofer Feld, Berlin, 1925
2 - Wohnungsbauwettbewerb organisiert vom Moskauer Sowjet, 1925
3 - Wettbewerb für einen Wohnungsbau für die Textilstiftung im Bezirk Iwanowo-Wosnessensk, Moskau, 1926
4 - Reihenhäuser in Berlin-Dahlem, 1926
5 - Entwürfe für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/ Brandenburgische Straße, 1925–1927 (drei Fassungen)
6 - Wettbewerb Mehrfamilienhäuser ausgeschrieben vom Halleschen Wirtschafts- und Verkehrsverband (nicht realisiert)

Christoph Lueder verweist in seiner kontextuellen Einordnung unter dem Titel Evaluator, Choreographer, Ideologue, Catalyst: The Disparate Reception Histories of Alexander Klein’s Graphical Method zur Entstehung von Kleins Methode darauf, dass die „objektiven Bewertungskriterien“ russischer Wettbewerbsverfahren einen „profunden“ Einfluss auf Kleins Betrachtungen gehabt hätten. Klein selbst führte in seinem Artikel Die Regelung der baukünstlerischen Wettbewerbe in Russland in WMB aus, warum er das russische Wettbewerbsverfahren als objektiver und daher besser einstuft als die in Deutschland bis heute gängige Wettbewerbspraxis, die er im Gegenzug als Lotterie bezeichnet. Durch die Festsetzung und Kommunikation der Bedingungen, des Programms sowie der Ergebnisse des Wettbewerbs entstünden laut Klein Transparenz und Austausch, und dadurch Nachvollziehbarkeit, die allen Beteiligten zugutekäme.

Dass das Thema Objektivität eine große Rolle für Klein spielt und eine treibende Kraft seiner Bestrebungen ist, wird aus den ersten konkreten Ausführungen zur Methode ersichtlich, worauf ich in der Folge eingehen werde. Methodisch und strukturell finden sich im Beitrag zum russischen Wettbewerbswesen noch keine konkreten Schlüsse seitens Klein, was diese Analyse spezifisch bedeuten könnten – die Kriterien der Bewertung selbst bleiben unklar.

Als weitaus wichtigeren – sogar elementaren – Schritt betrachte ich hingegen den Artikel zu den Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft (auf den Lueder nur peripher mit Verweis auf eine Grafik eingeht, die die Anwendung des Taylorarbeitsvorgangs, also eine Arbeitsablaufoptimierung in der Wohnküche, zeigt). An dieser Stelle führt Klein die Aspekte Objektivität, Transparenz, Bewertung mit ganz konkreten Kriterien der räumlichen Qualität in diametraler Spannung zur Profitmaximierung zusammen. Als Mittel der Darstellung wählt er Grundrisse, Tabellen und im Text findet sich ein Forderungskatalog. Alle verwendeten Projekte stammen ursprünglich aus Wettbewerbseinreichungen.

Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft: Gestaltung vs. Rentabilität – Kleins Blick auf die Hauszinssteuer

„Durch erhöhte Baukosten und Zinssätze, sowie durch andere Umstände sozialer und wirtschaftlicher Art sind Bauten ohne staatliche Unterstützung unmöglich geworden.“

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Inwiefern die wirtschaftlichen Dynamiken bzw. staatlich-regulatives Eingreifen eine Rolle für Kleins Arbeit spielten, zeigt der bereits mehrfach erwähnte, 1926 zum Thema Bautätigkeit mit Hauszinssteuerzuschuss publizierte Artikel Tagesfragen der Wohnungswirtschaft für WMB. Klein nimmt hier Bezug auf den zweiten Aspekt der neuen Bauagenda: Das Bauen zu Zeiten der Hauszinssteuer.

Unter dem vorangeschobenen Postulat, den Mechanismus des Hauszinssteuersystems und dessen Einfluss auf die Lösung der Wohnungskrise nicht infrage zu stellen, bemüht sich Klein um einen Vergleich der durch die Rahmenbedingungen entstehenden Wohnungspreise und Grundrissgestaltung. Sichtbar wird sein Interesse an realpolitischen Lösungsansätzen – auch wenn er normative Kritikpunkte vorträgt

Im Artikel arbeitet er die Vorgaben der Bauordnung heraus, die mit dem Gewähren eines Kredits für den Hausbau im Zusammenhang stehen – und damit auch unmittelbar mit der Qualität des gebauten Raums. In Berlin gewährte die Wohnungsfürsorgegesellschaft Baukredite (Hauszinssteuerhypothek) zu guten Bedingungen – zum stark ermäßigten Zinssatz von 3% mit 1% Tilgung – und band diese an folgende Anforderungen:

„Jede Wohnung muß mindestens ein Zimmer von 20 qm Grundfläche bei 3,50 m geringster Abmessung in Miethäusern und mindestens 18 qm in Kleinhäusern ebenfalls bei 3,50 m geringster Abmessung aufweisen. Im übrigen beträgt die Mindestzimmergröße 14 qm, die Mindestgröße für Küche 10 qm bei 2,30 m geringster Abmessung, für Kammern 6 qm und die Mindestbreite für Aborte 0,90 m. Die Belichtung der Aborte über Nebenträume ist nicht zulässig, der Abort muß direkt an der Außenwand liegen.“

Alexander Klein

Klein arbeitete auch deswegen den Faktor Finanzierung heraus, weil dieser (bis heute) direkten Einfluss auf die Nichtbeachtung von gestalterischen Aspekten hat. Der Entscheidungsmechanismus all derer, die noch beabsichtigten zu bauen, orientierte sich entsprechend daran, den Förderrahmen durch die Hauszinssteuerhypothek maximal auszuschöpfen. Die Planungsparameter wurden entsprechend an die staatlichen Vorgaben der Bauordnung angepasst: Gebaut wurden „viele kleine Kammern“, wie Klein schreibt, die dem Mindestmaß entsprachen. Klein untermauert die Problematik mit Grundrissauszügen und seinen eigenen Alternativen dazu.

Die baulich-strukturelle Ausgangslage in Berlin führte zu einem elementaren Kritikpunkt Kleins: Die vorherrschende Zentralflur-Konfiguration im Grundriss. Dieser Grundrisstyp zeichnet sich dadurch aus, dass vom unbelichteten Flur aus jeder Raum der Wohnung erschlossen wird – und damit auch alle funktionalen Verknüpfungen über diesen Flur verlaufen.

Der Zentralflurgrundriss in Berlin leitete sich aus der städtebaulichen Struktur der Blockrandbebauung ab, die durch die 1925 beschlossene Bauordnung stark begünstigt wurde. Auch die ausgeführten Mindestanforderungen an Wohnungen fördern diese Grundrisskonfiguration, denn der zentrale Flur ermöglichte einerseits einen tiefen Baukörper (bessere Grundstücksausnutzung und damit höhere Rentabilität) und andererseits die unabhängige Nutzung von einzelnen Zimmern (z. B. bei Untervermietung). Die Konfiguration hängt also mit vielen Faktoren zusammen – jedoch nicht mit der Intention, leistbaren Wohnraum bei maximaler Raumqualität aus Perspektive der Nutzer*innen zu ermöglichen.

Den finanziellen Optimierungsfaktoren stehen Klein zufolge Aspekte der Wohnkultur diametral gegenüber. Ein gut durchdachter Grundriss, Bequemlichkeit, gut belichtete und bemessene Zimmer, eine geräumige Treppe und Fahrstühle – Faktoren, die bestenfalls zu einer höheren Miete führen, haben keinen Einfluss auf die grundsätzlich gewährte Finanzierung, weil sie schlicht keine Rolle im Fördersystem spielen. Entsprechend legen Unternehmer keinen Wert auf die als unrentabel geltenden Gesichtspunkte der Gestaltung. Klein formuliert beinahe zynisch die Dynamik, die folgt, werde doch im seltenen Fall ein Architekt beauftragt:

„Nun stelle man sich vor, daß der Bauunternehmer, um das Unmögliche möglich zu machen, einen Architekten heranziehen will. Das ist ein Ausnahmefall, denn die Statistik der Vorkriegszeit zeigt, daß in Deutschland nur 3% der Bauten von Architekten errichtet wurden. Der Architekt wird dann seine Schulkenntnisse in Geometrie auffrischen und sich vor Augen halten, daß bei gleicher Fläche verschiedener Rechtecke der Umfang beim Quadrat am kleinsten ist. Da also im Bau der quadratische Grundriß die wirtschaftlichste Form ist, ist es wirtschaftlich, möglichst tief zu bauen, so daß der Architekt recht tiefe Zimmer bei verhältnismäßig geringer Fassadenlänge mit dem Rechenschieber in der Hand herauszeichnen muß.

Selbstredend wird es ihm selten gelingen, bei solchem Verfahren etwas wirklich Gutes zu schaffen. In den meisten Fällen aber, wo der Bauunternehmer sich den Aufwand der Heranziehung eines Architekten nicht leisten will, wird jedenfalls nicht besser gebaut.“

Alexander Klein

Was das wiederum für den gebauten Raum bedeutet, verdeutlicht er im Artikel mit Grundrissbeispielen, die die Unterschiede auf visueller Ebene schnell ersichtlich und greifbar erscheinen lassen. Kleins Artikel zielt darauf ab, herauszustellen, dass dem Staat die Kompetenz fehlt zu beurteilen, welche Wohnungen es überhaupt braucht. Er ist nicht der Einzige mit dieser Überzeugung, auch seine Zeitgenossen publizieren in Handwörterbuch des Wohnungswesens: „Es erwies sich als höchst verhängnisvoll, daß gerade damals in dem Aufschwung nach dem deutsch-französischen Krieg, als eine planmäßige Wohnungspolitik für Staat und Gemeinden von größter Wichtigkeit gewesen wäre, Staat, Gemeinden, Gesetzgebung und öffentlicher Geist diesen Aufgaben verständnislos gegenüberstanden. Es war einerseits die Zeitanschauung, andererseits wurde die Bedeutung des Wohnungswesens für die Allgemeinheit auch nicht im entferntesten erkannt.“

Klein stellte daher eine Liste an Forderungen auf, mit seiner Meinung nach elementaren Verbesserungsvorschlägen, die wie bereits erwähnt einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben:

  1. „ Anordnung eines wenn auch noch so kleinen Vorraums mit Kleiderablage;
  2. Anlage einer gut abgemessenen Diele, die mit Hilfe einer Schiebewand oder einer breiten Flügeltür mit dem Wohn- bezw. Eßzimmer ein Ganzes bilden kann. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in diesem Fall von der Mindestforderung von 14qm abgesehen werden kann;
  3. Anschluß der Kammer an die Schlafzimmer oder an die Küche, damit die Wohnung durch die Kammer nicht in zwei Hälften geteilt wird; das Fenster der Kammer nicht nach der Laube gerichtet, um die Benutzung letzterer nicht zu hindern;
  4. Anordnung von Küche, Kammer und Abort so, daß keine unmittelbare Verbindung mit der Diele besteht. Sie müssen entweder in den Flur oder in einen besonderen Übergangsraum münden;
  5. Verlegung der Schlafräume mit Bad und Abort in einen Teil der Wohnung derart, daß diese Räume unter sich in Verbindung stehen, und die Diele nicht betreten zu werden braucht;
  6. Möglichkeit, in Zukunft einen Aufzug ohne großen Umbau einfügen zu können.“

Die Grundmotive, die Klein in der Graphischen Methode detaillierter ausformulieren wird, lassen sich hier bereits ablesen. Die ersten beiden Punkte beziehen sich auf das Thema Flur/Vorraum bzw. dem Eingangsbereich als ein Element, das Klein in den nächsten Schritten im Sinne der „flurlosen Wohnung“ ganz entfallen lässt bzw. dem Wohnraum zuschlägt, um so einen größeren Wohnraum zu erzeugen, der für ihn im Mittelpunkt steht. Die Punkte 3–5 beziehen sich auf die Anordnung und Gruppierung der unterschiedlichen Funktionen im Grundriss. Er zieht die Funktionen Schlafen – Waschen, sowie Wohnen – Essen zusammen, sodass die Aktivitäten jeweils ungestört voneinander stattfinden können. Klein fordert also die funktionsbezogene Flächenzuweisung, die im Abschnitt Der Raumgruppengrundriss genauer erläutert wird.

Des Weiteren geht Klein im Artikel auf beachtenswerte Beispiele von Kleinwohnungen aus dem Ausland ein. Unter den Beispielen sind Projekte aus den Niederlanden, den USA, Österreich und Frankreich, die die unterschiedlichsten Zugänge zum Thema Klein(st)wohnung aufzeigen: von kollektiv genutzten Gemeinschaftsräumen über andere Finanzierungs- und Förderstrukturen bis hin zu 1-Zimmer-Lösungen. Unter den Projekten findet sich auch ein Wettbewerbsbeitrag Kleins zu Wohnhäusern für den Moskauer Sowjet unter dem Titel bzw. Wettbewerbskennwort Vita Sana (Gesundes Leben). Das Projekt zeigt im Grundriss bereits die funktionale Trennung von Wohnen – Essen und Schlafen – Waschen, auf die Klein vorab im Artikel verweist. Das Projekt wurde nicht realisiert, aber der Entwurf wurde mit einem zweiten Preis ausgezeichnet. Der Titel lässt darauf schließen, dass Klein gesundheitlichen Aspekten im Entwurf von Wohnraum einen hohen Stellenwert zuschrieb.

Klein schließt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass der Wohnungsbau in Berlin daran krankt, dass es auf der einen Seite hohe Mindestforderungen gibt und auf der anderen Seite die wirtschaftliche Situation nur unzureichend von der bestehenden Förderstruktur ausgeglichen werden kann. Durch die knapp bemessenen Zuschüsse ist es für Wohnungsbedürftige schwierig, sich allein oder in genossenschaftlicher Form selbst dem Bauen zu widmen. Die Privatwirtschaft baut derweil, wenn überhaupt, nur noch Wohnraum für eine wohlhabende Klasse.

Kleins Schluss daraus ist deutlich: „Wir brauchen kleinere Räume“. In der Verkleinerung sieht er den neuralgischen Punkt, um den großen Druck auf dem Wohnungsmarkt zu lindern – einerseits aus der Preisperspektive, aber auch um mehr Wohnraum mit denselben zur Verfügung stehenden Mitteln herstellen zu können. Ohne den Begriff leistbar weiter zu definieren, hebt er hervor, dass mehr als 84 von 100 Menschen aufgrund beschränkter wirtschaftlicher Mittel auf eine „bescheidene Wohnung“ angewiesen sind. Nicht nur die Zimmer will Klein verkleinern, auch die Wohnung an sich. Er führt die durchschnittliche Familiengröße an, die sich im Vergleich zur Vorkriegszeit von vormals 4,53 (1910) auf 3,21 (1926) Personen in den Berliner Haushalten reduziert hat.

Dass die Herabsetzung der Mindestanforderungen für Wohnungen (ein Faktor, der vorwiegend im einzelnen Projekt ausschlaggebend ist) allerdings nicht der einzige Schritt sein kann, um die Wohnungsfrage zu lösen, hebt er ebenso deutlich hervor. Er fordert die strukturelle Anpassung des Wohnungsbaus durch eine (staatliche) Organisation, genauer die Ausarbeitung eines umfassenden Wohnungsprogramms, in dem neue Wohntypen entwickelt werden. Diese Typen sollen die Unterschiede sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen, Lebensweisen der Nutzerinnen, sowie die Zahl der Familienmitglieder widerspiegeln – im Grundsatz also die Bedürfnisse der Bevölkerung.

Klein argumentiert abschließend sehr klar: „Als weiterer Vorzug käme dazu, daß eine Organisation, die nicht mehr hauptsächlich nur die Verwendung der Baugelder überprüft, sondern künftig dem Unternehmer lediglich die eigentliche Bauausführung überläßt und alles andere selbst in die Hand nimmt, für diese eigene Tätigkeit nicht so formal-ängstlich zu verfahren braucht wie bisher bei Aufstellung der Normen für Dritte. Das gibt den Weg frei zu einer sparsamen Bauwirtschaft, zur Erzielung hochwertiger Wohnungen, die bei erträglichen Mieten den heutigen Bedürfnissen vollauf entsprechen.“

Die Nutzerin: Körperregime, Kernfamilie, Klassismus

Der moderne Mensch als Projektionsfläche für neue Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben wurde thematisch bereits einige Male in unterschiedlichen Kontexten dieser Arbeit gestreift. Natürlich spielt auch in Kleins Arbeit das dahinterliegende Menschen- und Gesellschaftsbild eine Rolle. Klein vollzieht mit dem Denken aus dem Grundriss heraus einen Perspektivwechsel. Nutzerinnen und deren Bedürfnisse, wie sie sich (möglichst optimal) durch die Wohnung bewegen und diese nutzen, sind integraler, grundlegender Teil der Kleinschen Überlegungen. Die sehr spezifische Nutzerinnenzentrierung ist ein Alleinstellungsmerkmal zu dieser Zeit.

Grundsätzlich gab es Bestrebungen, im Sinne des Existenzminimums einen neuen minimalen modus vivendi herzustellen, anstatt den modus non moriendi zu verlängern. Die Überlegungen Kleins sind diesbezüglich sehr viel weiter vorangeschritten als die anderer Architekten. Er beschäftigt sich akribisch mit Hygiene, der psychischen und physischen Konstitution des Menschen, der Optimierung von Bewegungsabläufen und der (Raum-)Wahrnehmung. Diese einzelnen Themen lassen sich entsprechend in einzelnen Schritten der Graphischen Methode nachvollziehen, auf die ich im Rahmen der Entwicklung der Methode spezifisch eingehen werde.

Die Nervenschonung steht dabei im Mittelpunkt. Der angestrengte Ehemann soll sich im trauten Heim gut entspannen können und nach dem Arbeitstag nicht zusätzlich von einer ungünstigen Wohnkonfiguration angestrengt werden. Selbes gilt für die Ehefrau, für welche die tägliche Arbeit in der Küche optimiert wird. Der optimierte Wohnablauf soll sicherstellen, dass die Produktivkraft der Bewohnerinnen bestehen bleibt und dient damit auch dem Sozialstaat. Die Stadt wird als das chaotische Außen wahrgenommen, dem das geordnete Heim als Ruhepol der Kernfamilie entgegensteht. Moralische Ideale und Ansprüche gehen damit ebenso einher wie genaue Vorstellungen davon, wie eine Familie und die darin praktizierte Rollenverteilung auszusehen hat. Kleins Betrachtungen entsprechend damit den Paradigmen seiner Zeit, wie bereits aufgezeigt.

Diese Vorstellungen übertragen sich selbstredend in die gestalterische Ebene. Die Funktionsteilung, die Klein im Grundriss vornimmt, ist auch eine Unterteilung nach Geschlechterrollen, angepasst an das männliche Alleinversorgermodell. Die Ausrichtung der Standardwohnung auf die Klein- bzw. Kernfamilie macht dieses Familien- und Wohnmodell zur Standard-Reproduktionseinheit und wird damit auch zu einer Form des Regierungsmodus in foucaultschen Sinn.

Kleins in die beschriebene Gesellschaftslogiken eingebettete Ordnungsbestrebungen verknüpft er mit tayloristischen Ansätzen, auf die er durch Bruno Tauts Buch Die neue Wohnung – Die Frau als Schöpferin aufmerksam wird. Da dieser Aspekt eng mit der gewählten Zeichenmethode der Ganglinie zusammenhängt, gehe ich darauf näher im ersten Entwicklungsschritt der Methode ein.

Aus welcher Position Klein auf gesellschaftspolitische Themen blickt, geht nicht klar aus den Primärquellen hervor. Stöhner leitet aus Kleins Arbeit an russischen Projekten ab, dass es Klein um einen egalitären wohnkulturellen Standard ginge, da die Bedürfnisstruktur gleich sei, egal welcher Klasse man angehöre. Währenddessen schreibt Klein in einem gemeinsamen Artikel mit Werner Hegemann zum Freidorf bei Basel: „Auch bei den Hausgrundrissen schließt die Normierung die doch wohl wünschenswerte Trennung zwischen Häusern für Hand- und Kopfarbeiter (Lüdecke!) aus.“ Allgemein lässt sich feststellen, dass Klein der soziale Druck, der auf dem Wohnungsfrage lastete, absolut klar war. Er setzte sich für leistbaren Wohnraum ein, der auch räumlich-qualitativen Standards entsprechen sollte, selbst wenn sich diese Absicht mit gesellschaftlichen Normen und Stereotypen überlagerte.

Wohnraumproduktion nach Marktlogik bedeutete in der Regel den generalunternehmerischen Entwurf und Ausführung des Renditeobjekts durch den Bauunternehmer. Die Wohnungsgröße korrelierte mit dem Preis und mit der Positionierung im Gebäude. Die Durchmischung von Mietskasernen entsprang also nicht dem Ideal der sozialen Durchmischung, sondern ist ein Abbild der Verwertungslogik, um die maximale Grundstücksüberbauung marktfähig zu halten.

Baugenossenschaften und Vereine wurden auch mit dem Ziel gegründet, einen höheren Qualitätsstandard zu erreichen, der sich nicht ausschließlich den Maximen der Profitmaximierung unterwerfen sollte. Nachdem man im Rahmen der Mietskasernen Erfahrung mit sich schnell verbreitenden Krankheiten wie Tuberkulose gemacht hatte und im Allgemeinen sehr schlechte hygienische Zustände durch Überbelegung vieler Wohnungen herrschten, gab es eine Sehnsucht nach natürlichen Lebensbedingungen.

Das Einfamilienhaus außerhalb der Stadt wurde als das erstrebenswerte Ziel für jede Familie propagiert. Klein schreibt dazu:

„Namentlich den freischaffenden Architekten erwächst hier die wichtige Aufgabe, sich in diese Fragen zu versenken, um das Leben in den Stockwerkswohnung möglichst wirtschaftlich, bequem und behaglich zu gestalten und es dem Wohnideal im Einfamilienhaus anzugleichen.“

Dass das Konzept Einfamilienhaus nicht zur Lösung der Wohnungskrise beigetragen hat, wissen wir heute – und auch in den 1920er-Jahren war es überwiegend die Oberschicht, die in die Villenviertel der Stadtränder zog.

Die Flurlose Wohnung – oder: Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen?

Die Aufarbeitung und Reflektion der Wettbewerbe zur Wohnbebauung am Tempelhofer Feld, der Beitrag zum Wohnbau für den Moskauer Sowjet und die Studien für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/Brandenburgische Straße in selbstständiger Arbeit im Rahmen des Artikels Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft sind ein erster wichtiger Schritt für Kleins Entwicklung von Grundrisstypen. Als Alternative zum typischen Berliner Wohnungsgrundriss bietet Klein einen Vorschlag an, der auf einen zentralen Wohnraum und funktionale Trennung setzt und den er fortan weiterentwickelt.

Im Artikel Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen? in der Bauwelt 1927 widmet er sich dem dunklen, zentralen Flur und detailierten Untersuchung der bereits genannten Aspekte. Er weist darauf hin, dass kleine Wohnungen im Grundriss anders funktionieren als die großen Wohnungen, mit denen man bisher planerisch vertraut war. Eine Skalierung des Grundrisses im Sinne der kleiner werdenden Räume bei gleichbleibender Struktur erscheint Klein daher nicht sinnhaft. Diese Herangehensweise führe nur zu scheinbaren Ersparnissen, aber nicht zu einer Lösung nach dem „allgemeinen Grundsatz der Technik“, mit geringstem Aufwand die höchste Leistung zu erzielen.

Er verweist auch hier erneut auf die Faktoren Wirtschaftlichkeit und Berechenbarkeit: „Bei der grundlegenden Arbeit der Grundrissplanung muss sich der Architekt von der Überschätzung nebensächlicher wirtschaftlicher Dinge frei halten […]. Andererseits ist es eine unzulässige Vereinfachung, Hindernisse nur mit dem Rechenschieber in der Hand zu lösen und dabei zu vergessen, dass jede Wohnung nicht ein totes Rechenexempel ist, sondern ein recht verwickelter Organismus.“ Kleins Vorschlag ist daher die Grundrisskonfiguration entschieden neu zu denken. Er zeigt seinen ersten Lösungsansatz, der komplett ohne Flur auskommt, ebenfalls in der Bauwelt.

Der Grundriss misst bei einer Gebäudetiefe von
12,00 m nur 6,71 m fassadenseitig, was die Anordnung von drei Erschließungseinheiten erlaubt. Die Trennung der Funktionen ist klar ablesbar, wobei die Erschließungszone direkt der Wohneinheit zugeschlagen ist. Klein formuliert hier auch spezifisch eine Funktionsüberlagerung für das Wohnzimmer, das gleichzeitig zum Wohnen, Arbeiten und Essen dienen soll. Es bilden sich also wieder die Raumgruppen Wohnen – Essen und Schlafen – Waschen. Das Badezimmer ist dabei – wie bei Kleins Entwurf für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/Brandenburgische Straße – ein gefangener Raum zwischen den Schlafzimmern, der an die Außenwand rückt. Aus diesen vorgeschlagenen Änderungen leitet er wiederum eine verallgemeinerte Liste ab. Die Grundsätze für die Flurlose Wohnung, die direkt aus der Kritik, die vorab im Artikel geäußert wurde, entsprangen und sich im nächsten Schritt in die Graphisches Verfahren weiterentwickeln, lauten:

  1. Kein üblicher dunkler Flur. Stattdessen ein heller breiter Vorraum, der mit dem Wohnzimmer einen Raum (nur durch einen Vorhang getrennt) ergibt. Die lange Perspektive erweckt den Eindruck der Geräumigkeit.
  2. Klare Teilung aller Räume in zwei Gruppen: Schlafräume, Schrankzimmer und Bad und zweitens Wohn- und Esszimmer nebst Küche mit dazwischenliegender Schrankwand und Durchreiche. Die Trennung führt zum Wegfall von Kreuzungen der Ganglinien
  3. Anordnung der Räume, so dass nach der Aufstellung aller nötigen Möbel noch geschlossene Bewegungs- und Arbeitsflächen verbleiben. So wird eine günstige psychische Beeinflussung der Bewohner gewährleistet.
  4. Ausstattung der Küche mit allen notwendigen eingebauten Möbeln unter Berücksichtigung des Arbeitsvorgangs. Die kleine Küche erspart der Hausfrau unnütze Wege und zusätzliche Arbeit.
  5. Anordnung eingebauter Schränke, um die unordentliche Verbauung der Wohnung mit Möbeln zu verhindern und die Bewohner zur Ordnung zu zwingen.
  6. Der Balkon wird dem Wohnzimmer zugeschlagen und gilt als von allen nutzbare Erweiterung der Wohnung.

Während Kleins Pläne standardmäßig und detailliert die Möblierung aufzeigen, kommt hier erstmals ein weiteres graphisches Element zum Einsatz: Ein Pfeil zeigt die Verbindung zwischen Küche und Esszimmer an und gibt dabei Hinweise auf den Arbeitsablauf, den Klein in der Küche vorsieht. Dies bildet ein erstes Beispiel der wissenschaftlichen Beweisführung, mit der Klein intendierte, die Vorteile seines kleineren Grundrisses hervorzuheben, der nicht den Mindestmaßen der Förderrichtlinien entsprach.

Klein resümiert, dass es also keine dunklen Eingangsflure brauche. Am Zentralflur-Grundrisstyp wird nach Kleins Einschätzung allein deswegen festgehalten, weil die Grundrisskonfiguration durch unabhängig zugängliche Zimmer die Untervermietung ermöglicht. Da er mit seinem Vorschlag aber beabsichtigt, eine mögliche Antwort auf die Wohnungskrise zu formulieren und dafür einen völlig anderen Typ der Grundrisskonfiguration schafft, hält Klein das Argument der unabhängigen Räume für nicht valide – vor allem nicht aus der Perspektive eines Architekten.

Der Raumgruppengrundriss

Klein entwickelte auch den in Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen? gezeigten Grundriss weiter, um das Problem des gefangenen Badezimmers zu beheben. Klein sah hierfür einen Schrankraum vor, der sowohl die Schlafzimmer als auch das Badezimmer erschloss. Der Wohnraum wurde außerdem von der Durchgangsfunktion befreit. Damit gelang ihm ein Grundrisstyp, der hinsichtlich funktionaler Kriterien dem Zentralflurgrundriss überlegen war. Klein löste sich mit dieser Version auch von den Mindestanforderungen der Förderrichtlinien.

Das Ergebnis der Weiterentwicklung konnte Klein im Rahmen der Ausstellung Die neue Wohnung und ihr Innenausbau in Frankfurt am Main zeigen. Ernst May initiierte die Ausstellung und räumte Klein die Möglichkeit ein, seinen alternativen Ansatz in direktem Vergleich zu einem konventionellen, zentral erschlossenem Grundriss zu zeigen. Im Mai 1928 konnte Klein den Grundrisstyp außerdem als 1:1 Mock-Up auf der Ausstellung Heim und Technik in München zeigen. Im selben Jahr konnte er den Ansatz in der GAGFAH-Demonstrationssiedlung am Fischtalgrund in Berlin-Zehlendorf als gebautes Projekt realisieren.

Klein selbst führt die Entwicklung der Funktionstrennung in Raumgruppen zurück bis auf sein Projekt in der Kronwerkskij Straße in St. Petersburg. In der Publikation Beiträge zur Wohnungsfrage – Probleme des Bauens setzt er sein eigenes Projekt in den direkten Vergleich zu Luxuswohnungen am Kurfürstendamm. Die Komposition der Berliner Wohnungen beschreibt er als mangelhaft. Zusammenhang und Differenzierung der Räume fehle, die Erschließung sei schlecht gelöst, sodass man sich bei parallel stattfindender Nutzung gegenseitig störe. Bei seinem eigenen Entwurf weist er auf die Teilung der Räume in drei Gruppen hin: Die Wohn-, Schlaf- und Wirtschaftsgruppe. Er versieht diese Konfiguration mit der Bemerkung „Die Funktionen dieser Gruppen können ungestört voneinander ausgeübt werden.“ Dieser Faktor wird sich als einer der Bewertungsparameter in der Graphischen Methode wiederfinden.

Hinführung zur Methode

Noch bevor Klein die Methode in WMB vorstellt, schreibt Leo Adler im vorangehenden Heft eine Einordnung zu den Fragen und Vorbedingungen der Typisierung. Der Artikel ordnet Kleins Entwurfs- und Studienarbeiten ein und erläutert die Ideen hinter der Maxime der Typisierung.

Adler beginnt seine Argumentationslinie mit der Frage, wann Typisierung bisher geschehen sei und ob die Kleinstwohnung in dieser Ausführung überhaupt typisierungsfähig sei. Seiner Einordnung zufolge kam es zuallererst bei Kirchen und Bauernhäusern zu einer natürlichen Typenbildung aus dem geschichtlichen Entwicklungsverlauf heraus. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich aus staatspolitischen Gründen künstlich und behördlich vorgeschriebene Typisierungen. Die zeitgenössischen Tendenzen der 1920er-Jahre ordnet er hingegen als „das bewusste Streben nach höchstmöglicher Wirtschaftlichkeit [ein] oder, rein technisch gesprochen, die Erzielung einer größtmöglichen Wirkung (Nutzeffekt) bei geringstem Material- und Arbeitsaufwand [sei] die wichtigste Aufgabe der industriellen Typisierung im Wohnhausbau.“

Auch das Gegenargument, dass Typisierung per se zu keinen guten baukünstlerischen Ergebnissen führe – oder wie Adler es schöner ausdrückt, „Typisierung bedeute baukünstlerische Verarmung, trostlosen Schematismus und langweiligste Uniformierung“ – entkräftet Adler aktiv auf mehreren Ebenen. Er zieht dafür einerseits das Beispiel der Bauernhäuser und Kirchen heran, und argumentiert, dass sich gerade im Kirchenbau nur auf Grundlage der Typen die volle Reife der Bauten entwickeln konnte – ohne Verlust des baukünstlerischen Anspruchs.

Zusätzlich führt er die gestalterischen Aspekte aus, die in Kleins Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Kleins Arbeit setzt nämlich gerade beim Mangel der räumlichen Qualität der Kleinstwohnungen an – wie er selbst ausführt. Sowohl die Problematik des dunklen Flurs als auch die nicht durchdachte Anordnung und der Zusammenhang der Räume zueinander sind Aspekte, die Klein zu lösen versucht. Dabei strebt er eine möglichst große zusammenhängende Zimmerfreifläche im Grundriss an, die sich auf Wohn- und Esszimmer als Zentralraum der Wohnung konzentriert.

„Wirft man im Anschluß an die Betrachtung der Wohnräume einen Blick auf die Fassadengestaltungen, so erkennt man, daß bei aller rechnenden Sorgfalt, die den Grundrissen zuteil geworden ist, Klein die Arbeit an einem Wohnungsentwurf nicht mit dem Rechenschieber in der Hand erledigt, daß er keine Wohnmaschine, wie das beliebte Schlagwort lautet, errichten will, sondern Wohnhäuser, bei denen auch die äußere Gestaltung wichtig ist. Das ist nicht weiter erstaunlich bei einem Architekten, der sich eine strenge Schulung an mustergültigen Beispielen des Klassizismus und des Empire erworben hat und für die Sachlichkeit kämpft, dem programmatische Schlagworte ebenso fremd sind wie der Wahn, die Kleinwohnung sei lediglich eine Aufgabe der geometrischen Aufteilung und der Zweckerfüllung. Ihm ist Fassadengestaltung und Grundrißbildung eine Aufgabe, die baukünstlerisch zu lösen ist.“

Die Zusammenführung von architektonisch-funktionalen Überlegungen mit ökonomischem und sozialem Bewusstsein zu einem Ergebnis, das räumliche Qualität widerspiegelt, ist Kleins erklärtes Ziel. Die Rationalisierungsvorschläge, die er im Sinne einer Verkleinerung der Grundrisse macht, gehen dabei immer mit dem Ziel der Qualitätssteigerung einher. Sein Interesse an Leistbarkeit und Wirtschaftlichkeit gilt nicht der Profitmaximierung, sondern dem bestmöglichen Ergebnis für die Nutzer*innen, das auch den Hauptantrieb für Kleins Arbeit bildet. Eine Perspektive, die auch heute noch hochaktuell ist.

Fortführung

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