1.01 Der politische Rahmen der Weimarer Republik

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 Alexander Kleins Leben zwischen 1920–1933 in Deutschland in der Übersicht

Alexander Kleins Arbeiten zu verstehen heißt gleichzeitig den Kontext seiner Arbeit zu durchdringen. Dabei ist nicht nur Kleins persönlicher Hintergrund gemeint, sondern auch die zeitgeschichtlichen Faktoren, die den Rahmen für das Entstehen der Kleinschen Methode im Wohnungsbau bilden. Insbesondere die kulturhistorische Betrachtung im Kontext der Zeitgeschichte ermöglicht es, die Methode einzuordnen und abseits der rein zeichnerischen, numerischen und wissenschaftlichen Anmutung zu verstehen. 

Alexander Iwanowitsch Klein wurde 1879 in Odessa geboren. Für das Architekturstudium ging er nach St. Petersburg und erhielt dort 1904 seinen Abschluss. Kurz darauf, im Jahr 1906, gewann er gemeinsam mit den Architekten Iljin und Rosenberg den Wettbewerb um einen großen Krankenhausbau mit 2000 Betten in St. Petersburg. Daraufhin folgte die Berufung als Stadtbaurat und Lehraufträge an der Technischen Hochschule der Stadt. 1917 übersiedelte Klein 1917 in den Kaukasus, um in Kislowodsk ein Stadterweiterungsprojekt zu planen. Die politisch aufgeladenen Zeiten nach der Oktoberrevolution zwangen Klein 1920 Russland zu verlassen.¹ Er emigriert nach Deutschland und ließ sich in Berlin nieder, um wenig später 1922 auch hier wieder seine praktische Bautätigkeit in Zeiten der Weimarer Republik aufzunehmen.²

Kleins russische Herkunft wird uns an späterer Stelle wieder begegnen. Sowohl sein dort ausgebildeter planerischer Zugang als auch die planerische Infrastruktur hatten einen Einfluss auf sein Denken und Arbeiten. Die Bedeutung dessen lässt sich auch an Kleins eigener publizistischer Aufarbeitung der Wettbewerbspraxis in Russland und seiner Herangehensweise im Grundriss ablesen, die er bereits in einem seiner ersten in Russland umgesetzten Projekte im Ansatz entwickelt ablesen.³

Alexander Kleins Herkunft

Die Weimarer Verfassung setzte nach der Niederlage der Deutschen im Rahmen des Ersten Weltkriegs den neuen Rahmen für die Entwicklung eines parlamentarisch-demokratischen Bundesstaats und damit für den Beginn der Weimarer Republik. Die von politischen Unruhen geprägte Zeit zwischen 1919–1933 brachte eine ganze Reihe an einschneidenden Veränderungen mit sich. Die Kriegsfolgen und Reparationszahlungen im Rahmen des Versailler Vertrages waren ebenso drastisch für die deutsche Wirtschaft wie die sich daraus entwickelnde Hyperinflation um 1923. Die Kosten der wirtschaftlichen Konsolidierung nach der Zuspitzung durch die Geldentwertung trugen schwerpunktmäßig Arbeiter*innen und der Mittelstand – Grund- und Hausbesitzer blieben weitgehend von Entwertungsprozessen verschont. Um die Wirtschaft zu stabilisieren, wurden soziale Errungenschaften wie der Achtstundentag, die direkt nach dem Krieg von der Arbeiterbewegung erkämpft wurden, wieder aufgeweicht oder vollends aufgegeben. Industrialisierungs- und Spezialisierungstendenzen entsprechend tayloristischer Ideen wurden vorangetrieben.4

Parallel dazu bahnten sich gesamtgesellschaftliche Wandlungsprozesse ihren Weg. Im Januar 1919 erhielten Frauen erstmals das in der Verfassung verbriefte Recht, an Parlamentswahlen teilzunehmen – sowohl als Wählerinnen als auch als Kandidatinnen.5 Fotografie, Radio und Kino verbreiten sich, wodurch Menschen aller Klassen und Schichten Zugang zu Informationen, Freizeitaktivitäten und neuen Konsummöglichkeiten erhielten. Die Massenkultur wirkte als Impuls für Demokratisierung und lockerte die starke Abgrenzung der im Kaiserreich vorherrschenden Klassenunterschiede. Der Historiker Heinrich August Winkler beschreibt die Entwicklung in der Weimarer Republik als „Klassengesellschaft im Übergang“.6 Die Goldenen Zwanziger Jahre – die auch heute wieder heraufbeschworen werden – sind vielmehr Ausdruck der Freiheit einer bestimmten Gesellschaftsschicht in Kunst und Kultur, als dass sie den Druck des sozialen Wandels sowie der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen reflektierten.7

Die Verwerfungen der Weimarer Republik im zeitlichen Verlauf

Die Weltwirtschaftskrise, die im Oktober 1929 ihren Lauf nahm, erschütterte das instabile Gleichgewicht der Weimarer Republik erneut. Ausgelöst durch den dramatischen Kurssturz an der New Yorker Börse – noch heute als Black Friday ein prägender Ausdruck, der sich inzwischen in neue Bedeutungen hüllt – zogen sich US-amerikanische Anleger aus dem Auslandskreditgeschäft in Deutschland zurück. Das fehlende Kapital löste eine wirtschaftliche Negativspirale aus: Die Geldmittelknappheit führt zum fast vollständigen Einbruch von Investitionstätigkeiten, woraufhin die Produktion zurückgefahren und Massenentlassungen vorgenommen werden, die wiederum die Sozialsysteme der Weimarer Republik kulminieren lassen.8

Die große sozialpolitische Spannung, die die Weltwirtschaftskrise mit sich brachte, ließ 1930 die Große Koalition aus SPD, Zentrum, Deutsche Volkspartei DVP und Deutsche Demokratische Partei DDP zerbrechen. Heinrich Brüning, der im Auftrag des Reichskanzlers Hindenburg die Neubildung der Regierung übernahm, ordnete mithilfe von Notverordnungen eine strenge Deflationspolitik an, die auch Auswirkungen auf die Bautätigkeiten hatte. Seit 1931 durften keine öffentlichen Gebäude mehr errichtet werden – neben Steuererhöhungen und Kürzungen der Sozialausgaben sollte so die erneute finanzielle Konsolidierung erreicht werden.9 Dieser Plan ging nicht auf, die Situation spitzte sich weiter zu. Die Entwicklungen mündeten im Aufstieg der Nationalsozialisten – und mit der Machtergreifung Hitlers im Ende der Weimarer Republik.

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Quellen

[1] Vgl. Warhaftig, 1989. S 1042
[2] Vgl. Stöhner, 1976. S A 25f. und Baffa Rivolta/Rossari, 1975. 48f.
[3] Vgl. AK-1925_WMB-9-10 und AK-1928_Probleme des Bauens
[4] Vgl. Mommsen 1998, S 234.
[5] Vgl. Deutscher Bundestag, Online-Dienste 2019.
[6] Vgl. Winkler, 1998. S 296 f.
[7] Vgl. Longerich 1995, S 176 f.
[8] Vgl. Plumpe 2010, S 81; und Mommsen 1998, S 441.[9] Vgl. Büttner 2008, S 424.

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