(Wohn)raum für Wandel: Vom Brandbeschleuniger zu neuen Formen des solidarischen Zusammenlebens
Critical Entries ist ein kollaboratives Schreibprojekt in den Sozialen Medien. Mit den Texten möchten wir in den Diskurs um eine gesellschaftskritische Raumforschung einsteigen. Wir möchten dazu anregen, Raumpraxis und -theorie mit einer kritischen Perspektive auf Herrschaftsverhältnisse und Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Diskriminierungsmechanismen zu verbinden.
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Wohnen ist mehr als nur ein Dach über dem Kopf – es ist ein Spiegelbild sozialer Realitäten und Ungleichheiten. Die Wohnungskrise verschärft bestehende Probleme und trifft besonders jene, die ohnehin mit den Lebenshaltungskosten kämpfen. Bezahlbarer und ökologisch verträglicher Wohnungs(um)bau ist ein zentrales politisches Thema, eng verknüpft mit der Stabilität unserer Gesellschaft und Demokratie. Wenn wir die Wohnraumknappheit lösen, helfen wir, viele andere, scheinbar nicht zusammenhängende Probleme zu beheben — oder wir verschärfen sie.
Mehr als 40 % des Einkommens allein für Miete auszugeben ist das neue Normal.[1] Ein Zustand, der Strukturen der Ungleichheit weiter zementiert. Zurück in den Feudalismus: Während die Überbelegung in Wohnungen von Familien mit geringen finanziellen Mitteln steigt, nimmt der Flächenverbrauch pro Person weiter zu. Suffizienz? Die, die sich das Heizen nicht mehr leisten können, sollen einen Pulli mehr anziehen. "Gutgemeinte Tipps"— man könnte es auch Zynismus nennen—zeigen, wie wenig Bewusstsein es für die Realitäten von Armut gibt.
Wer macht sich diese Situation zu Nutze? Akteur*innen, deren Ziel es ist, die Gesellschaft zu spalten. Es wird nach unten getreten, weil Angst und Unsicherheit vor der nächsten Krise, der steigenden Inflation und dem drohenden sozialen Abstieg Menschen gegeneinander aufhetzen. Was zuverlässig wächst sind Radikalisierungstendenzen. Wenn Grundbedürfnisse wie leistbarer Wohnraum nicht mehr gesichert sind, suchen Menschen nach einfachen Antworten. Rechte Populisten wittern ihre Chance, gesellschaftliche Ängste zu instrumentalisieren. Das Bauministerium brauche es nicht mehr, die Rechten wollen einfach mehr abschieben und damit die Wohnungskrise "lösen".
Ernüchternde Debatten dürfen dennoch nicht zum Nichtstun führen. Es gibt Lösungen, es gibt politische Instrumente und es gibt gelebte Solidarität, Aktivismus und neue Formen des Zusammenlebens. Gesellschaftliche Veränderung braucht mutige Forderungen, die das Denkbare in die progressive Richtung verschieben: Nur indem wir den gesellschaftlichen Diskurs radikal herausfordern, können wir Menschen dazu ermutigen, bestehende Strukturen zu hinterfragen und sich wieder eine bessere Zukunft vorzustellen.
Solidarische Wohnkonzepte, Gemeinschaftsprojekte und politischer Druck zeigen Alternativen auf, auch wenn diese nicht immer sofort umgesetzt werden. Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum ist der Kampf um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Jede*r Einzelne kann Teil der Lösung sein – durch Engagement, Solidarität, aktiv gelebte politische Teilhabe.
[1] Über ein Drittel der 21 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland ist durch Wohnkosten überlastet. 3,1 Millionen Haushalte zahlen für Kaltmiete und Heizkosten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens, weitere 4,3 Millionen zwischen 30 und 40 Prozent. https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-33590.htm