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Entwicklung eines Neuen Standards

Die Entwicklung der Methode beginnt nicht erst mit dem ersten Artikel Kleins unter dem Titel Versuch eines graphischen Verfahrens zur Bewertung von Kleinwohnungsgrundrissen, der die Schritte der Methode bereits ausformuliert, sondern schon lange davor. Wie bereits hervorgehoben, ordnet sich Klein keiner der damals prägenden Architektengruppen zu, sondern arbeitet weitgehend eigenständig an Ansätzen und Ideen, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen – seine Arbeit an neun Grundrisslösungen lässt sich bis auf die ersten Projekte in Russland nachvollziehen. Zuerst möchte ich hier also einen Einblick in Kleins Denken und Arbeiten vor der eigentlichen Entstehung der Methode geben.
Vorschritte zur Methode
Die Suche nach der Qualität im Grundriss ist ein treibendes Motiv für Klein, das ich im vorangegangenen Kapitel erwähnt habe. Er entzog sich einer klaren politischen Position und lotete jeweils unter den gegebenen strukturellen Bedingungen die bestmögliche Grundrisskonfiguration aus – nicht ohne dabei auch Kritik an den strukturellen Rahmenbedingungen seiner Zeit zu üben. Diese pragmatische, realpolitische Herangehensweise zieht sich als roter Faden durch seine Arbeit. Selbst 1932, bei seinem letzten umgesetzten Projekt in Berlin, wird deutlich: Klein hat sich unter den sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen entwickelt.
Das Wohnprojekt am Körnerpark hatte Klein zuerst anhand von Grundrissstudien erarbeitet, die durch eine Laubengangerschließung auf eine geringe Baukörpertiefe abzielten. Das Grundstück zwang ihn jedoch zur Blockrandbebauung mit mehrspänniger Erschließung, was zu einer Gebäudetiefe von 11 Metern und damit zu einer klassischen Grundrisstypologie mit zentralem Flur führte. Er identifizierte jedoch einen anderen Punkt, den es zu verbessern galt: Die Heizung. Eine Zentralheizung wurde von der Hausverwaltung abgelehnt, eine Ofenheizung hätte zu viel Platz in den kleinen Wohnungen eingenommen, daher entschied sich Klein für den Einbau einer Etagenheizung in jeder Wohnung. Ein Komfort, der weit über dem üblichen Standard lag.
Der Forschende Praktiker – Forschen, Planen, Bauen, Kommunizieren
Das Beispiel macht auch Kleins grundsätzliche Arbeitsweise deutlich. Die Entwicklung der Methode erfolgte aus der Verankerung in der eigenen Zeichen- und Entwurfspraxis. Klein erarbeitete Wettbewerbsbeiträge und untersuchte gleichzeitig zeichnerische Fragestellungen im Entwurf für Publikationen. So näherte er sich schrittweise über das Zeichnen als Methode inhaltlich den Aspekten an, die später als Grundlage für die Bewertungsparameter Eingang in die vergleichende Methode fanden.
Dass diese Verknüpfung, bzw. der Ursprung in der theoretischen Auseinandersetzung nicht von allen Zeitgenossen goutiert wurde, lassen die Quellen aber ebenso erkennen. In einem Kommentar zur GAGFAH-Demonstrationssiedlung am Fischtalgrund in Berlin Zehlendorf – eine Art Gegenveranstaltung zur Weißenhofsiedlung in Stuttgart – bei der Klein ein Projekt umsetzen konnte, heißt es: „Nun dürften auch endlich die Kritiker zum Schweigen gebracht sein, die Alexander Klein bislang noch den Vorwurf machen, er sei nur Theoretiker und in der Praxis sähe alles ganz anders aus.“ Über die 20 Jahre Berufspraxis, die Klein mitunter bei Großprojekten in Russland sammelte, war wenig bekannt.
Parallel zu seiner aktiven zeichnerisch-planerischen Arbeit und dem Bauen stellte die Publikation – und damit Kommunikation – seiner Erkenntnisse einen zentralen Teil seines Schaffens heraus. Während seiner Zeit in Deutschland publizierte Klein die meisten Beiträge und Fachartikel. Die Einbindung in Wasmuths Monatshefte für Baukunst (WMB) ab 1925 und der Sprachraum, der ihm damit eröffnet wurde, trugen erheblich zur Entwicklung und dem Bekanntwerden der Methode bei. Allein in WMB veröffentlichte Klein rund 30 Artikel. Er publizierte seine Erkenntnisse darüber hinaus in Bauwelt, Die Baugilde, Die Wohnung, sowie in internationalen Fachmagazinen.
Das Graphische Verfahren als allgemeingültiger Ansatz
Bereits vor dem Niederschreiben der eigentlichen Methode finden sich in Kleins Texten Kriterienlisten, die die Hauptmerkmale seiner Entwürfe generalisieren und/oder die Hauptaspekte seiner Gedankengänge fassen, auflisten und damit auf ein Methodisieren hindeuten. Die Listen finden sich in mehreren Publikationen und begleiten auch den Artikel Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft. Er formulierte Forderungen „des modernen Kleinwohnungswesens […], wie sie wohl jeder Architekt, dessen Hände nicht durch ‚Rentabilitäts-Erwägungen‘ gebunden sind, durchführen möchte.“ – also mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Klein wählte die Bezeichnung der Graphischen Methode bewusst. Es ging ihm auch um die Abbildbarkeit des Ergebnisses und darum, die Zeichnung als eine allgemeingültige Sprache zu etablieren, die gleichzeitig Ausdrucks- und Bewertungsform ist: frei von Deutungen und Missverständnissen. Architekten sollten mithilfe der Methode zeichnerisch die geometrische Analyse mit der räumlichen Qualitätsbeurteilung zusammenführen. Die Graphische Statik, eine Methode aus der Bauingenieurswissenschaft, die sich Ende des

  1. Jahrhunderts entwickelte, dürfte Klein aus dem baupraktischen Kontext ebenso bekannt gewesen sein. Auf dem zeichnerischen Weg mittels Lineal, Zirkel und Maßstab werden statische Probleme „konstruiert“ und gelöst, ohne dabei auf algebraische Gleichungssysteme zurückzugreifen.
    Auch andere wissenschaftliche Zugänge, die zu dieser Zeit Ansätze der zeichnerischen Übersetzung einführten. Die Parallele zur Graphischen Statik ist auch deswegen besonders interessant, weil die Methode derselben Logik folgt wie Klein in seiner Arbeit: Die Zeichnung ist nicht nur Darstellung, sondern operatives Mittel der Lösungsfindung.
    Der Aspekt der Verwissenschaftlichung der Darstellung, der bereits im vorigen Kapitel im Rahmen der allgemeinen Betrachtung angeschnitten wurde, lässt sich auch bei Klein ablesen: Tabellen und Vergleichsmaße ergänzen die Methode schon im ersten Entwicklungsschritt und werden sukzessive ausgebaut.
    (Wettbewerbs-)Praxis als Entwicklungschance
    Klaus-Ulrich Stöhner untersucht Klein in seiner Dissertation durch die Entwurfspraxis und die Entwicklungsstufen der Grundrisstypen. Die Arbeit strukturiert sich entlang der Projekte Kleins und zeigt damit auf, wie wichtig die (Wettbewerbs-)Praxis für Klein war, da er elementare Ansätze bereits hier umsetzten konnte. Zwischen 1922–1927 beteiligte sich Klein an insgesamt sieben Wettbewerben in Berlin und Moskau, konnte allerdings keinen Bauauftrag erringen. Die Reziprozität zwischen Kleins Entwurfsarbeit und der theoretischen Analysearbeit erfordert einen Blick auf seine umgesetzten und nicht umgesetzten Projekte. Klein nahm an Wettbewerben teil und fertigte Studien im Rahmen eigener Projekte an, wobei den Wohnprojekten hinsichtlich der Graphischen Methode die größere Bedeutung zukommt:
    Wohnhäuser Tempelhofer Feld, Berlin, 1925
    Wohnungsbauwettbewerb organisiert vom Moskauer Sowjet, 1925
    Wettbewerb für einen Wohnungsbau für die Textilstiftung im Bezirk Iwanowo-Wosnessensk, Moskau, 1926
    Reihenhäuser in Berlin-Dahlem, 1926
    Entwürfe für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/ Brandenburgische Straße, 1925–1927 (drei Fassungen)
    Wettbewerb Mehrfamilienhäuser ausgeschrieben vom Halleschen Wirtschafts- und Verkehrsverband (nicht realisiert)
    Christoph Lueder verweist in seiner kontextuellen Einordnung unter dem Titel Evaluator, Choreographer, Ideologue, Catalyst: The Disparate Reception Histories of Alexander Klein’s Graphical Method zur Entstehung von Kleins Methode darauf, dass die „objektiven Bewertungskriterien“ russischer Wettbewerbsverfahren einen „profunden“ Einfluss auf Kleins Betrachtungen gehabt hätten. Klein selbst führte in seinem Artikel Die Regelung der baukünstlerischen Wettbewerbe in Russland in WMB aus, warum er das russische Wettbewerbsverfahren als objektiver und daher besser einstuft als die in Deutschland bis heute gängige Wettbewerbspraxis, die er im Gegenzug als Lotterie bezeichnet. Durch die Festsetzung und Kommunikation der Bedingungen, des Programms sowie der Ergebnisse des Wettbewerbs entstünden laut Klein Transparenz und Austausch, und dadurch Nachvollziehbarkeit, die allen Beteiligten zugutekäme.
    Dass das Thema Objektivität eine große Rolle für Klein spielt und eine treibende Kraft seiner Bestrebungen ist, wird aus den ersten konkreten Ausführungen zur Methode ersichtlich, worauf ich in der Folge eingehen werde. Methodisch und strukturell finden sich im Beitrag zum russischen Wettbewerbswesen noch keine konkreten Schlüsse seitens Klein, was diese Analyse spezifisch bedeuten könnten – die Kriterien der Bewertung selbst bleiben unklar.
    Als weitaus wichtigeren – sogar elementaren – Schritt betrachte ich hingegen den Artikel zu den Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft (auf den Lueder nur peripher mit Verweis auf eine Grafik eingeht, die die Anwendung des Taylorarbeitsvorgangs, also eine Arbeitsablaufoptimierung in der Wohnküche, zeigt). An dieser Stelle führt Klein die Aspekte Objektivität, Transparenz, Bewertung mit ganz konkreten Kriterien der räumlichen Qualität in diametraler Spannung zur Profitmaximierung zusammen. Als Mittel der Darstellung wählt er Grundrisse, Tabellen und im Text findet sich ein Forderungskatalog. Alle verwendeten Projekte stammen ursprünglich aus Wettbewerbseinreichungen.
    Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft: Gestaltung vs. Rentabilität – Kleins Blick auf die Hauszinssteuer
    „Durch erhöhte Baukosten und Zinssätze, sowie durch andere Umstände sozialer und wirtschaftlicher Art sind Bauten ohne staatliche Unterstützung unmöglich geworden.“
    Inwiefern die wirtschaftlichen Dynamiken bzw. staatlich-regulatives Eingreifen eine Rolle für Kleins Arbeit spielten, zeigt der bereits mehrfach erwähnte, 1926 zum Thema Bautätigkeit mit Hauszinssteuerzuschuss publizierte Artikel Tagesfragen der Wohnungswirtschaft für WMB. Klein nimmt hier Bezug auf den zweiten Aspekt der neuen Bauagenda: Das Bauen zu Zeiten der Hauszinssteuer.
    Unter dem vorangeschobenen Postulat, den Mechanismus des Hauszinssteuersystems und dessen Einfluss auf die Lösung der Wohnungskrise nicht infrage zu stellen, bemüht sich Klein um einen Vergleich der durch die Rahmenbedingungen entstehenden Wohnungspreise und Grundrissgestaltung. Sichtbar wird sein Interesse an realpolitischen Lösungsansätzen – auch wenn er normative Kritikpunkte vorträgt.
    Im Artikel arbeitet er die Vorgaben der Bauordnung heraus, die mit dem Gewähren eines Kredits für den Hausbau im Zusammenhang stehen – und damit auch unmittelbar mit der Qualität des gebauten Raums. In Berlin gewährte die Wohnungsfürsorgegesellschaft Baukredite (Hauszinssteuerhypothek) zu guten Bedingungen – zum stark ermäßigten Zinssatz von 3% mit 1% Tilgung – und band diese an folgende Anforderungen:
    „Jede Wohnung muß mindestens ein Zimmer von 20 qm Grundfläche bei 3,50 m geringster Abmessung in Miethäusern und mindestens 18 qm in Kleinhäusern ebenfalls bei
    3,50 m geringster Abmessung aufweisen. Im übrigen beträgt die Mindestzimmergröße 14 qm, die Mindestgröße für Küche
    10 qm bei 2,30 m geringster Abmessung, für Kammern 6 qm und die Mindestbreite für Aborte 0,90 m. Die Belichtung der Aborte über Nebenträume ist nicht zulässig, der Abort muß direkt an der Außenwand liegen.“
    Klein arbeitete auch deswegen den Faktor Finanzierung heraus, weil dieser (bis heute) direkten Einfluss auf die Nichtbeachtung von gestalterischen Aspekten hat. Der Entscheidungsmechanismus all derer, die noch beabsichtigten zu bauen, orientierte sich entsprechend daran, den Förderrahmen durch die Hauszinssteuerhypothek maximal auszuschöpfen. Die Planungsparameter wurden entsprechend an die staatlichen Vorgaben der Bauordnung angepasst: Gebaut wurden „viele kleine Kammern“, wie Klein schreibt, die dem Mindestmaß entsprachen. Klein untermauert die Problematik mit Grundrissauszügen und seinen eigenen Alternativen dazu.
    Die baulich-strukturelle Ausgangslage in Berlin führte zu einem elementaren Kritikpunkt Kleins: Die vorherrschende Zentralflur-Konfiguration im Grundriss. Dieser Grundrisstyp zeichnet sich dadurch aus, dass vom unbelichteten Flur aus jeder Raum der Wohnung erschlossen wird – und damit auch alle funktionalen Verknüpfungen über diesen Flur verlaufen.
    Der Zentralflurgrundriss in Berlin leitete sich aus der städtebaulichen Struktur der Blockrandbebauung ab, die durch die 1925 beschlossene Bauordnung stark begünstigt wurde. Auch die ausgeführten Mindestanforderungen an Wohnungen fördern diese Grundrisskonfiguration, denn der zentrale Flur ermöglichte einerseits einen tiefen Baukörper (bessere Grundstücksausnutzung und damit höhere Rentabilität) und andererseits die unabhängige Nutzung von einzelnen Zimmern (z. B. bei Untervermietung). Die Konfiguration hängt also mit vielen Faktoren zusammen – jedoch nicht mit der Intention, leistbaren Wohnraum bei maximaler Raumqualität aus Perspektive der Nutzerinnen zu ermöglichen. Den finanziellen Optimierungsfaktoren stehen Klein zufolge Aspekte der Wohnkultur diametral gegenüber. Ein gut durchdachter Grundriss, Bequemlichkeit, gut belichtete und bemessene Zimmer, eine geräumige Treppe und Fahrstühle – Faktoren, die bestenfalls zu einer höheren Miete führen, haben keinen Einfluss auf die grundsätzlich gewährte Finanzierung, weil sie schlicht keine Rolle im Fördersystem spielen. Entsprechend legen Unternehmer keinen Wert auf die als unrentabel geltenden Gesichtspunkte der Gestaltung. Klein formuliert beinahe zynisch die Dynamik, die folgt, werde doch im seltenen Fall ein Architekt beauftragt: „Nun stelle man sich vor, daß der Bauunternehmer, um das Unmögliche möglich zu machen, einen Architekten heranziehen will. Das ist ein Ausnahmefall, denn die Statistik der Vorkriegszeit zeigt, daß in Deutschland nur 3% der Bauten von Architekten errichtet wurden. Der Architekt wird dann seine Schulkenntnisse in Geometrie auffrischen und sich vor Augen halten, daß bei gleicher Fläche verschiedener Rechtecke der Umfang beim Quadrat am kleinsten ist. Da also im Bau der quadratische Grundriß die wirtschaftlichste Form ist, ist es wirtschaftlich, möglichst tief zu bauen, so daß der Architekt recht tiefe Zimmer bei verhältnismäßig geringer Fassadenlänge mit dem Rechenschieber in der Hand herauszeichnen muß. Selbstredend wird es ihm selten gelingen, bei solchem Verfahren etwas wirklich Gutes zu schaffen. In den meisten Fällen aber, wo der Bauunternehmer sich den Aufwand der Heranziehung eines Architekten nicht leisten will, wird jedenfalls nicht besser gebaut.“ Was das wiederum für den gebauten Raum bedeutet, verdeutlicht er im Artikel mit Grundrissbeispielen, die die Unterschiede auf visueller Ebene schnell ersichtlich und greifbar erscheinen lassen. Kleins Artikel zielt darauf ab, herauszustellen, dass dem Staat die Kompetenz fehlt zu beurteilen, welche Wohnungen es überhaupt braucht. Er ist nicht der Einzige mit dieser Überzeugung, auch seine Zeitgenossen publizieren in Handwörterbuch des Wohnungswesens: „Es erwies sich als höchst verhängnisvoll, daß gerade damals in dem Aufschwung nach dem deutsch-französischen Krieg, als eine planmäßige Wohnungspolitik für Staat und Gemeinden von größter Wichtigkeit gewesen wäre, Staat, Gemeinden, Gesetzgebung und öffentlicher Geist diesen Aufgaben verständnislos gegenüberstanden. Es war einerseits die Zeitanschauung, andererseits wurde die Bedeutung des Wohnungswesens für die Allgemeinheit auch nicht im entferntesten erkannt.“ Klein stellte daher eine Liste an Forderungen auf, mit seiner Meinung nach elementaren Verbesserungsvorschlägen, die wie bereits erwähnt einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben: „Anordnung eines wenn auch noch so kleinen Vorraums mit Kleiderablage; Anlage einer gut abgemessenen Diele, die mit Hilfe einer Schiebewand oder einer breiten Flügeltür mit dem Wohn- bezw. Eßzimmer ein Ganzes bilden kann. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in diesem Fall von der Mindestforderung von 14qm abgesehen werden kann; Anschluß der Kammer an die Schlafzimmer oder an die Küche, damit die Wohnung durch die Kammer nicht in zwei Hälften geteilt wird; das Fenster der Kammer nicht nach der Laube gerichtet, um die Benutzung letzterer nicht zu hindern; Anordnung von Küche, Kammer und Abort so, daß keine unmittelbare Verbindung mit der Diele besteht. Sie müssen entweder in den Flur oder in einen besonderen Übergangsraum münden; Verlegung der Schlafräume mit Bad und Abort in einen Teil der Wohnung derart, daß diese Räume unter sich in Verbindung stehen, und die Diele nicht betreten zu werden braucht; Möglichkeit, in Zukunft einen Aufzug ohne großen Umbau einfügen zu können.“ Die Grundmotive, die Klein in der Graphischen Methode detaillierter ausformulieren wird, lassen sich hier bereits ablesen. Die ersten beiden Punkte beziehen sich auf das Thema Flur/Vorraum bzw. dem Eingangsbereich als ein Element, das Klein in den nächsten Schritten im Sinne der „flurlosen Wohnung“ ganz entfallen lässt bzw. dem Wohnraum zuschlägt, um so einen größeren Wohnraum zu erzeugen, der für ihn im Mittelpunkt steht. Die Punkte 3–5 beziehen sich auf die Anordnung und Gruppierung der unterschiedlichen Funktionen im Grundriss. Er zieht die Funktionen Schlafen – Waschen, sowie Wohnen – Essen zusammen, sodass die Aktivitäten jeweils ungestört voneinander stattfinden können. Klein fordert also die funktionsbezogene Flächenzuweisung, die im Abschnitt Der Raumgruppengrundriss genauer erläutert wird. Des Weiteren geht Klein im Artikel auf beachtenswerte Beispiele von Kleinwohnungen aus dem Ausland ein. Unter den Beispielen sind Projekte aus den Niederlanden, den USA, Österreich und Frankreich, die die unterschiedlichsten Zugänge zum Thema Klein(st)wohnung aufzeigen: von kollektiv genutzten Gemeinschaftsräumen über andere Finanzierungs- und Förderstrukturen bis hin zu 1-Zimmer-Lösungen. Unter den Projekten findet sich auch ein Wettbewerbsbeitrag Kleins zu Wohnhäusern für den Moskauer Sowjet unter dem Titel bzw. Wettbewerbskennwort Vita Sana (Gesundes Leben). Das Projekt zeigt im Grundriss bereits die funktionale Trennung von Wohnen – Essen und Schlafen – Waschen, auf die Klein vorab im Artikel verweist. Das Projekt wurde nicht realisiert, aber der Entwurf wurde mit einem zweiten Preis ausgezeichnet. Der Titel lässt darauf schließen, dass Klein gesundheitlichen Aspekten im Entwurf von Wohnraum einen hohen Stellenwert zuschrieb. Klein schließt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass der Wohnungsbau in Berlin daran krankt, dass es auf der einen Seite hohe Mindestforderungen gibt und auf der anderen Seite die wirtschaftliche Situation nur unzureichend von der bestehenden Förderstruktur ausgeglichen werden kann. Durch die knapp bemessenen Zuschüsse ist es für Wohnungsbedürftige schwierig, sich allein oder in genossenschaftlicher Form selbst dem Bauen zu widmen. Die Privatwirtschaft baut derweil, wenn überhaupt, nur noch Wohnraum für eine wohlhabende Klasse. Kleins Schluss daraus ist deutlich: „Wir brauchen kleinere Räume“. In der Verkleinerung sieht er den neuralgischen Punkt, um den großen Druck auf dem Wohnungsmarkt zu lindern – einerseits aus der Preisperspektive, aber auch um mehr Wohnraum mit denselben zur Verfügung stehenden Mitteln herstellen zu können. Ohne den Begriff leistbar weiter zu definieren, hebt er hervor, dass mehr als 84 von 100 Menschen aufgrund beschränkter wirtschaftlicher Mittel auf eine „bescheidene Wohnung“ angewiesen sind. Nicht nur die Zimmer will Klein verkleinern, auch die Wohnung an sich. Er führt die durchschnittliche Familiengröße an, die sich im Vergleich zur Vorkriegszeit von vormals 4,53 (1910) auf 3,21 (1926) Personen in den Berliner Haushalten reduziert hat. Dass die Herabsetzung der Mindestanforderungen für Wohnungen (ein Faktor, der vorwiegend im einzelnen Projekt ausschlaggebend ist) allerdings nicht der einzige Schritt sein kann, um die Wohnungsfrage zu lösen, hebt er ebenso deutlich hervor. Er fordert die strukturelle Anpassung des Wohnungsbaus durch eine (staatliche) Organisation, genauer die Ausarbeitung eines umfassenden Wohnungsprogramms, in dem neue Wohntypen entwickelt werden. Diese Typen sollen die Unterschiede sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen, Lebensweisen der Nutzerinnen, sowie die Zahl der Familienmitglieder widerspiegeln – im Grundsatz also die Bedürfnisse der Bevölkerung.
    Klein argumentiert abschließend sehr klar: „Als weiterer Vorzug käme dazu, daß eine Organisation, die nicht mehr hauptsächlich nur die Verwendung der Baugelder überprüft, sondern künftig dem Unternehmer lediglich die eigentliche Bauausführung überläßt und alles andere selbst in die Hand nimmt, für diese eigene Tätigkeit nicht so formal-ängstlich zu verfahren braucht wie bisher bei Aufstellung der Normen für Dritte. Das gibt den Weg frei zu einer sparsamen Bauwirtschaft, zur Erzielung hochwertiger Wohnungen, die bei erträglichen Mieten den heutigen Bedürfnissen vollauf entsprechen.“
    Die Nutzerin: Körperregime, Kernfamilie, Klassismus Der moderne Mensch als Projektionsfläche für neue Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben wurde thematisch bereits einige Male in unterschiedlichen Kontexten dieser Arbeit gestreift. Natürlich spielt auch in Kleins Arbeit das dahinterliegende Menschen- und Gesellschaftsbild eine Rolle. Klein vollzieht mit dem Denken aus dem Grundriss heraus einen Perspektivwechsel. Nutzerinnen und deren Bedürfnisse, wie sie sich (möglichst optimal) durch die Wohnung bewegen und diese nutzen, sind integraler, grundlegender Teil der Kleinschen Überlegungen. Die sehr spezifische Nutzerinnenzentrierung ist ein Alleinstellungsmerkmal zu dieser Zeit. Grundsätzlich gab es Bestrebungen, im Sinne des Existenzminimums einen neuen minimalen modus vivendi herzustellen, anstatt den modus non moriendi zu verlängern. Die Überlegungen Kleins sind diesbezüglich sehr viel weiter vorangeschritten als die anderer Architekten. Er beschäftigt sich akribisch mit Hygiene, der psychischen und physischen Konstitution des Menschen, der Optimierung von Bewegungsabläufen und der (Raum-)Wahrnehmung. Diese einzelnen Themen lassen sich entsprechend in einzelnen Schritten der Graphischen Methode nachvollziehen, auf die ich im Rahmen der Entwicklung der Methode spezifisch eingehen werde. Die Nervenschonung steht dabei im Mittelpunkt. Der angestrengte Ehemann soll sich im trauten Heim gut entspannen können und nach dem Arbeitstag nicht zusätzlich von einer ungünstigen Wohnkonfiguration angestrengt werden. Selbes gilt für die Ehefrau, für welche die tägliche Arbeit in der Küche optimiert wird. Der optimierte Wohnablauf soll sicherstellen, dass die Produktivkraft der Bewohnerinnen bestehen bleibt und dient damit auch dem Sozialstaat. Die Stadt wird als das chaotische Außen wahrgenommen, dem das geordnete Heim als Ruhepol der Kernfamilie entgegensteht. Moralische Ideale und Ansprüche gehen damit ebenso einher wie genaue Vorstellungen davon, wie eine Familie und die darin praktizierte Rollenverteilung auszusehen hat. Kleins Betrachtungen entsprechend damit den Paradigmen seiner Zeit, wie bereits aufgezeigt.
    Diese Vorstellungen übertragen sich selbstredend in die gestalterische Ebene. Die Funktionsteilung, die Klein im Grundriss vornimmt, ist auch eine Unterteilung nach Geschlechterrollen, angepasst an das männliche Alleinversorgermodell. Die Ausrichtung der Standardwohnung auf die Klein- bzw. Kernfamilie macht dieses Familien- und Wohnmodell zur Standard-Reproduktionseinheit und wird damit auch zu einer Form des Regierungsmodus in foucaultschen Sinn.
    Kleins in die beschriebene Gesellschaftslogiken eingebettete Ordnungsbestrebungen verknüpft er mit tayloristischen Ansätzen, auf die er durch Bruno Tauts Buch Die neue Wohnung – Die Frau als Schöpferin aufmerksam wird. Da dieser Aspekt eng mit der gewählten Zeichenmethode der Ganglinie zusammenhängt, gehe ich darauf näher im ersten Entwicklungsschritt der Methode ein.
    Aus welcher Position Klein auf gesellschaftspolitische Themen blickt, geht nicht klar aus den Primärquellen hervor. Stöhner leitet aus Kleins Arbeit an russischen Projekten ab, dass es Klein um einen egalitären wohnkulturellen Standard ginge, da die Bedürfnisstruktur gleich sei, egal welcher Klasse man angehöre. Währenddessen schreibt Klein in einem gemeinsamen Artikel mit Werner Hegemann zum Freidorf bei Basel: „Auch bei den Hausgrundrissen schließt die Normierung die doch wohl wünschenswerte Trennung zwischen Häusern für Hand- und Kopfarbeiter (Lüdecke!) aus.“ Allgemein lässt sich feststellen, dass Klein der soziale Druck, der auf dem Wohnungsfrage lastete, absolut klar war. Er setzte sich für leistbaren Wohnraum ein, der auch räumlich-qualitativen Standards entsprechen sollte, selbst wenn sich diese Absicht mit gesellschaftlichen Normen und Stereotypen überlagerte.
    Wohnraumproduktion nach Marktlogik bedeutete in der Regel den generalunternehmerischen Entwurf und Ausführung des Renditeobjekts durch den Bauunternehmer. Die Wohnungsgröße korrelierte mit dem Preis und mit der Positionierung im Gebäude. Die Durchmischung von Mietskasernen entsprang also nicht dem Ideal der sozialen Durchmischung, sondern ist ein Abbild der Verwertungslogik, um die maximale Grundstücksüberbauung marktfähig zu halten.
    Baugenossenschaften und Vereine wurden auch mit dem Ziel gegründet, einen höheren Qualitätsstandard zu erreichen, der sich nicht ausschließlich den Maximen der Profitmaximierung unterwerfen sollte. Nachdem man im Rahmen der Mietskasernen Erfahrung mit sich schnell verbreitenden Krankheiten wie Tuberkulose gemacht hatte und im Allgemeinen sehr schlechte hygienische Zustände durch Überbelegung vieler Wohnungen herrschten, gab es eine Sehnsucht nach natürlichen Lebensbedingungen.
    Das Einfamilienhaus außerhalb der Stadt wurde als das erstrebenswerte Ziel für jede Familie propagiert. Klein schreibt dazu: „Namentlich den freischaffenden Architekten erwächst hier die wichtige Aufgabe, sich in diese Fragen zu versenken, um das Leben in den Stockwerkswohnung möglichst wirtschaftlich, bequem und behaglich zu gestalten und es dem Wohnideal im Einfamilienhaus anzugleichen.“ Dass das Konzept Einfamilienhaus nicht zur Lösung der Wohnungskrise beigetragen hat, wissen wir heute – und auch in den 1920er-Jahren war es überwiegend die Oberschicht, die in die Villenviertel der Stadtränder zog.
    Die Flurlose Wohnung – oder: Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen?
    Die Aufarbeitung und Reflektion der Wettbewerbe zur Wohnbebauung am Tempelhofer Feld, der Beitrag zum Wohnbau für den Moskauer Sowjet und die Studien für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/Brandenburgische Straße in selbstständiger Arbeit im Rahmen des Artikels Tagesfragen der Berliner Wohnungswirtschaft sind ein erster wichtiger Schritt für Kleins Entwicklung von Grundrisstypen. Als Alternative zum typischen Berliner Wohnungsgrundriss bietet Klein einen Vorschlag an, der auf einen zentralen Wohnraum und funktionale Trennung setzt und den er fortan weiterentwickelt.
    Im Artikel Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen? in der Bauwelt 1927 widmet er sich dem dunklen, zentralen Flur und detailierten Untersuchung der bereits genannten Aspekte. Er weist darauf hin, dass kleine Wohnungen im Grundriss anders funktionieren als die großen Wohnungen, mit denen man bisher planerisch vertraut war. Eine Skalierung des Grundrisses im Sinne der kleiner werdenden Räume bei gleichbleibender Struktur erscheint Klein daher nicht sinnhaft. Diese Herangehensweise führe nur zu scheinbaren Ersparnissen, aber nicht zu einer Lösung nach dem „allgemeinen Grundsatz der Technik“, mit geringstem Aufwand die höchste Leistung zu erzielen.
    Er verweist auch hier erneut auf die Faktoren Wirtschaftlichkeit und Berechenbarkeit: „Bei der grundlegenden Arbeit der Grundrissplanung muss sich der Architekt von der Überschätzung nebensächlicher wirtschaftlicher Dinge frei halten […]. Andererseits ist es eine unzulässige Vereinfachung, Hindernisse nur mit dem Rechenschieber in der Hand zu lösen und dabei zu vergessen, dass jede Wohnung nicht ein totes Rechenexempel ist, sondern ein recht verwickelter Organismus.“ Kleins Vorschlag ist daher die Grundrisskonfiguration entschieden neu zu denken. Er zeigt seinen ersten Lösungsansatz, der komplett ohne Flur auskommt, ebenfalls in der Bauwelt.
    Der Grundriss misst bei einer Gebäudetiefe von
    12,00 m nur 6,71 m fassadenseitig, was die Anordnung von drei Erschließungseinheiten erlaubt. Die Trennung der Funktionen ist klar ablesbar, wobei die Erschließungszone direkt der Wohneinheit zugeschlagen ist. Klein formuliert hier auch spezifisch eine Funktionsüberlagerung für das Wohnzimmer, das gleichzeitig zum Wohnen, Arbeiten und Essen dienen soll. Es bilden sich also wieder die Raumgruppen Wohnen – Essen und Schlafen – Waschen. Das Badezimmer ist dabei – wie bei Kleins Entwurf für das Eckgrundstück Ravensburgerstraße/Brandenburgische Straße – ein gefangener Raum zwischen den Schlafzimmern, der an die Außenwand rückt. Aus diesen vorgeschlagenen Änderungen leitet er wiederum eine verallgemeinerte Liste ab. Die Grundsätze für die Flurlose Wohnung, die direkt aus der Kritik, die vorab im Artikel geäußert wurde, entsprangen und sich im nächsten Schritt in die Graphisches Verfahren weiterentwickeln, lauten:
    Kein üblicher dunkler Flur. Stattdessen ein heller breiter Vorraum, der mit dem Wohnzimmer einen Raum (nur durch einen Vorhang getrennt) ergibt. Die lange Perspektive erweckt den Eindruck der Geräumigkeit.
    Klare Teilung aller Räume in zwei Gruppen: Schlafräume, Schrankzimmer und Bad und zweitens Wohn- und Esszimmer nebst Küche mit dazwischenliegender Schrankwand und Durchreiche. Die Trennung führt zum Wegfall von Kreuzungen der Ganglinien
    Anordnung der Räume, so dass nach der Aufstellung aller nötigen Möbel noch geschlossene Bewegungs- und Arbeitsflächen verbleiben. So wird eine günstige psychische Beeinflussung der Bewohner gewährleistet.
    Ausstattung der Küche mit allen notwendigen eingebauten Möbeln unter Berücksichtigung des Arbeitsvorgangs. Die kleine Küche erspart der Hausfrau unnütze Wege und zusätzliche Arbeit.
    Anordnung eingebauter Schränke, um die unordentliche Verbauung der Wohnung mit Möbeln zu verhindern und die Bewohner zur Ordnung zu zwingen.
    Der Balkon wird dem Wohnzimmer zugeschlagen und gilt als von allen nutzbare Erweiterung der Wohnung.
    Während Kleins Pläne standardmäßig und detailliert die Möblierung aufzeigen, kommt hier erstmals ein weiteres graphisches Element zum Einsatz: Ein Pfeil zeigt die Verbindung zwischen Küche und Esszimmer an und gibt dabei Hinweise auf den Arbeitsablauf, den Klein in der Küche vorsieht. Dies bildet ein erstes Beispiel der wissenschaftlichen Beweisführung, mit der Klein intendierte, die Vorteile seines kleineren Grundrisses hervorzuheben, der nicht den Mindestmaßen der Förderrichtlinien entsprach.
    Klein resümiert, dass es also keine dunklen Eingangsflure brauche. Am Zentralflur-Grundrisstyp wird nach Kleins Einschätzung allein deswegen festgehalten, weil die Grundrisskonfiguration durch unabhängig zugängliche Zimmer die Untervermietung ermöglicht. Da er mit seinem Vorschlag aber beabsichtigt, eine mögliche Antwort auf die Wohnungskrise zu formulieren und dafür einen völlig anderen Typ der Grundrisskonfiguration schafft, hält Klein das Argument der unabhängigen Räume für nicht valide – vor allem nicht aus der Perspektive eines Architekten.
    Der Raumgruppengrundriss
    Klein entwickelte auch den in Brauchen wir Eingangsflure in Kleinstwohnungen? gezeigten Grundriss weiter, um das Problem des gefangenen Badezimmers zu beheben. Klein sah hierfür einen Schrankraum vor, der sowohl die Schlafzimmer als auch das Badezimmer erschloss. Der Wohnraum wurde außerdem von der Durchgangsfunktion befreit. Damit gelang ihm ein Grundrisstyp, der hinsichtlich funktionaler Kriterien dem Zentralflurgrundriss überlegen war. Klein löste sich mit dieser Version auch von den Mindestanforderungen der Förderrichtlinien.
    Das Ergebnis der Weiterentwicklung konnte Klein im Rahmen der Ausstellung Die neue Wohnung und ihr Innenausbau in Frankfurt am Main zeigen. Ernst May initiierte die Ausstellung und räumte Klein die Möglichkeit ein, seinen alternativen Ansatz in direktem Vergleich zu einem konventionellen, zentral erschlossenem Grundriss zu zeigen. Im Mai 1928 konnte Klein den Grundrisstyp außerdem als 1:1 Mock-Up auf der Ausstellung Heim und Technik in München zeigen. Im selben Jahr konnte er den Ansatz in der GAGFAH-Demonstrationssiedlung am Fischtalgrund in Berlin-Zehlendorf als gebautes Projekt realisieren.
    Klein selbst führt die Entwicklung der Funktionstrennung in Raumgruppen zurück bis auf sein Projekt in der Kronwerkskij Straße in St. Petersburg. In der Publikation Beiträge zur Wohnungsfrage – Probleme des Bauens setzt er sein eigenes Projekt in den direkten Vergleich zu Luxuswohnungen am Kurfürstendamm. Die Komposition der Berliner Wohnungen beschreibt er als mangelhaft. Zusammenhang und Differenzierung der Räume fehle, die Erschließung sei schlecht gelöst, sodass man sich bei parallel stattfindender Nutzung gegenseitig störe. Bei seinem eigenen Entwurf weist er auf die Teilung der Räume in drei Gruppen hin: Die Wohn-, Schlaf- und Wirtschaftsgruppe. Er versieht diese Konfiguration mit der Bemerkung „Die Funktionen dieser Gruppen können ungestört voneinander ausgeübt werden.“ Dieser Faktor wird sich als einer der Bewertungsparameter in der Graphischen Methode wiederfinden.
    Hinführung zur Methode
    Noch bevor Klein die Methode in WMB vorstellt, schreibt Leo Adler im vorangehenden Heft eine Einordnung zu den Fragen und Vorbedingungen der Typisierung. Der Artikel ordnet Kleins Entwurfs- und Studienarbeiten ein und erläutert die Ideen hinter der Maxime der Typisierung.
    Adler beginnt seine Argumentationslinie mit der Frage, wann Typisierung bisher geschehen sei und ob die Kleinstwohnung in dieser Ausführung überhaupt typisierungsfähig sei. Seiner Einordnung zufolge kam es zuallererst bei Kirchen und Bauernhäusern zu einer natürlichen Typenbildung aus dem geschichtlichen Entwicklungsverlauf heraus. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich aus staatspolitischen Gründen künstlich und behördlich vorgeschriebene Typisierungen. Die zeitgenössischen Tendenzen der 1920er-Jahre ordnet er hingegen als „das bewusste Streben nach höchstmöglicher Wirtschaftlichkeit [ein] oder, rein technisch gesprochen, die Erzielung einer größtmöglichen Wirkung (Nutzeffekt) bei geringstem Material- und Arbeitsaufwand [sei] die wichtigste Aufgabe der industriellen Typisierung im Wohnhausbau.“
    Auch das Gegenargument, dass Typisierung per se zu keinen guten baukünstlerischen Ergebnissen führe – oder wie Adler es schöner ausdrückt, „Typisierung bedeute baukünstlerische Verarmung, trostlosen Schematismus und langweiligste Uniformierung“ – entkräftet Adler aktiv auf mehreren Ebenen. Er zieht dafür einerseits das Beispiel der Bauernhäuser und Kirchen heran, und argumentiert, dass sich gerade im Kirchenbau nur auf Grundlage der Typen die volle Reife der Bauten entwickeln konnte – ohne Verlust des baukünstlerischen Anspruchs.
    Zusätzlich führt er die gestalterischen Aspekte aus, die in Kleins Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Kleins Arbeit setzt nämlich gerade beim Mangel der räumlichen Qualität der Kleinstwohnungen an – wie er selbst ausführt. Sowohl die Problematik des dunklen Flurs als auch die nicht durchdachte Anordnung und der Zusammenhang der Räume zueinander sind Aspekte, die Klein zu lösen versucht. Dabei strebt er eine möglichst große zusammenhängende Zimmerfreifläche im Grundriss an, die sich auf Wohn- und Esszimmer als Zentralraum der Wohnung konzentriert.
    „Wirft man im Anschluß an die Betrachtung der Wohnräume einen Blick auf die Fassadengestaltungen, so erkennt man, daß bei aller rechnenden Sorgfalt, die den Grundrissen zuteil geworden ist, Klein die Arbeit an einem Wohnungsentwurf nicht mit dem Rechenschieber in der Hand erledigt, daß er keine Wohnmaschine, wie das beliebte Schlagwort lautet, errichten will, sondern Wohnhäuser, bei denen auch die äußere Gestaltung wichtig ist. Das ist nicht weiter erstaunlich bei einem Architekten, der sich eine strenge Schulung an mustergültigen Beispielen des Klassizismus und des Empire erworben hat und für die Sachlichkeit kämpft, dem programmatische Schlagworte ebenso fremd sind wie der Wahn, die Kleinwohnung sei lediglich eine Aufgabe der geometrischen Aufteilung und der Zweckerfüllung. Ihm ist Fassadengestaltung und Grundrißbildung eine Aufgabe, die baukünstlerisch zu lösen ist.“
    Die Zusammenführung von architektonisch-funktionalen Überlegungen mit ökonomischem und sozialem Bewusstsein zu einem Ergebnis, das räumliche Qualität widerspiegelt, ist Kleins erklärtes Ziel. Die Rationalisierungsvorschläge, die er im Sinne einer Verkleinerung der Grundrisse macht, gehen dabei immer mit dem Ziel der Qualitätssteigerung einher. Sein Interesse an Leistbarkeit und Wirtschaftlichkeit gilt nicht der Profitmaximierung, sondern dem bestmöglichen Ergebnis für die Nutzer*innen, das auch den Hauptantrieb für Kleins Arbeit bildet. Eine Perspektive, die auch heute noch hochaktuell ist.

28/12/2021Comments are off for this post.

Die Bauministerin

Klara Geywitz (SPD) wird Deutschlands neue Ministerin für Bauen und Wohnen. Die Bauministerin übernimmt das 2021 von der Deutschen Ampel-Regierung neu geschaffene Ministerium und es fragten natürlich sofort die ersten Stimmen, ob eine Frau wie Klara Geywitz überhaupt fähig sei, diese Aufgabe zu übernehmen: Berufspolitik, weiblich, Ostsozialisation, Kanzlervertraute — wird man damit Bundesbauministerin? fragt Falk Jaeger für german architects.

Die Diskussion um Spitzenpositionen — und deren misogyne Einfärbung — ist altbekannt. Wie wichtig eine fachkundige Besetzung auf anderen Hierarchiebenen, sowohl bei den Staatssekretär*innen als auch bei Unterabteilungen und Referaten ist, bleibt dabei gerne unbesprochen. Hinzu kommt, dass im Falle der Neuschaffung des Ministeriums ein weiterer Sonderfall besteht: ganz grundsätzliche strukturellen Entscheidungen, wie: Welche Abteilungen werden überhaupt wo und wie eingegliedert? sind erst noch zu treffen.

Photo by Blake Wheeler on Unsplash

Wenn über Macht und Einfluss der neuen Bauministerin spekuliert wird, geht es um mehr als nur um Personalpolitik

Die Bestandteile des Bauministerium — die in den vergangenen Jahrzehnten wie ein Wanderpokal umhergereicht wurden und an die unterschiedlichsten anderen Ministerien angegliedert wurden — werden nun neu zusammengesetzt. Es stellt sich beispielsweise die Frage welche Kompetenzen überhaupt in dieses Ministerrium wandern können. Der Mieterbund wünscht sich beispielsweise, dass das Mietrecht vom Justizministerium in das neu geschaffene Bauministerium wandert. Ohne Einfluss auf das Mietrecht, sei das Ministerium zahnlos — „Je mehr Kompetenzen im neuen Ministerium gebündelt werden können, desto besser“, so DMB-Präsident Lukas Siebenkotten.

Der Koalitionsvertrag — welche Themen sind auf dem Tisch?

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag, der Aspekte wie klimafreundlicheres Bauen, die èberarbeitung der HOAI und die Gründung eines Bündnisses bezahlbarer Wohnraum enthält, sind weitreichende (Fach-)Kompetenzen erforderlich, um all diese Themen in einer kohärenten Strategie zusammenzuführen.

Die Staatssekretär*innen für Bau- und Wohnungswesen sind Cansel Kiziltepe (SPD) und Sören Bartol (SPD) — keiner von ihnen hat einen beruflichen Hintergrund in der Baubranche. Sören Bartol war allerdings über die Jahre im politischen Betrieb immer wieder Teil von einschlägigen Fachausschüssen.

Es scheint, als blieben uns zwei Möglichkeiten: Wir können auf eine gute personelle Ausstattung des Ministeriums hoffen oder selbst politisch aktiv werden. Vielleicht entscheiden wir uns nicht für “entweder … oder”, sondern für ein“sowohl … als auch”.

28/12/2021No Comments

Living together in Berlin – Architecting new Housing Approaches

An article for the Italian magazine DOMUS reflecting on the housing situation in Berlin. Terrassenhaus Berlin, IBeB and the Wohnregal show how alternative approaches in architecture open up new possibilities.

10.9.2018: Wedding District Court

A plot of 482 square metres is up for auction on Grüntaler Straße, not far from the courthouse. The property, used to date as a repair shop and in part already occupied by a garage, has planning permission for up to 723 square metres of housing laid out across 5 storeys. The market value of the property is 224,000 euros, minus the demolition costs. The auction starts today at 174,000 euros. About 100 potential bidders crowd the courtroom, including some young architects who are here partly on their own interest and partly on behalf of clients. They all start the auction with the same calculation: given the planning permission, the price of the lot implies an initial cost of 240 euros per square metre of potential living space. Some 25 minutes later the auction ends. The property has been knocked down for 1,100,000 euros plus taxes and commission.

Those present leave the room with a mixture of astonishment, amusement and indignation that echoes down the stairwell in the form of speculation on what the buyer’s intentions are for a project saddled from the start with an a priori cost of 1,520 euros per square metre. This is a symbol, rather than a snapshot, of the Berlin real estate market. Ownership of building plots becomes the privilege of the few who, unburdened by a sense of responsibility or social needs, see land and housing as an investment and stake their claim to it. Article 14 of the Basic Law of the Federal Republic of Germany seems to have fallen into oblivion. Among other things, it states, “Property entails obligations. Its use must also serve the common good.” (Art. 14. 2 GG). The questions “To whom does the land belong” and “To whom does the city belong?” are critical to an understanding of our built environment, as the ownership of both land and real estate have an impact on our understanding of society as well as the availability of accessible public and common spaces. With the commodification of our cities and their growing privatisation, this power relationship is being increasingly questioned. Architecture has to choose. Can and will it decide to reject all compromise? Or will it continue following the same logic, which keeps reproducing the same kinds of spaces and environments? All this raises questions of a systemic nature.

New housing in Berlin today

The trend of prices exemplified by a recent case in Berlin has shown that the construction of building projects, unaffected by the rule of maximising profits, is now possible only if the conditions change. Neither establishing cooperatives nor other associations of private developers (Baugruppen) or models of funding for the common good will make it possible to buy land in Berlin, whether sold by the city or purchased on the open market at exorbitant prices. And when land is acquired, it will end up being refinanced by transferring the cost to the end user, which makes it difficult to provide housing for all at affordable prices. We need to develop living spaces that match our needs as individuals, that are affordable and ensure quality of life, while going beyond the standard of a nuclear family and the rigid separation between life and work, which no longer reflect the times we live in. To do this, we will have to foster a more energetic discussion between architects and a deeper understanding of the economic issues, as well as of the housing needs of future residents.

Methods of design that include the ideas of the future inhabitants in the planning stage and, at the same time, offer new economic approaches to construction require a high degree of competence and flexibility by all concerned. As shown by the three projects that follow, this additional effort by the designers is worthwhile. The approaches chosen demonstrate that even in complex structures and with difficult basic conditions, it is possible to create space capable of fulfilling the current needs of our society.

We need as many structural models as there are points of view, with close ties between housing and the workplace, apartments large and small, which can be combined, so that they respond to different individual needs. We need communal areas located in the prime spaces of the building, with premises for social bodies and accommodation for tenants with little money. We also need to cater for owners whose interests do not end at the thresholds of their homes. And we have to deliver all this with some form of creative freedom.

The three projects selected are: Terrassenhaus Berlin / Lobe Block; Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt (IBeB); and Wohnregal. These are exemplary projects for new approaches to residential building in Berlin, combining ideas for an urban policy related to alternative forms of the economics of communal living and the question of the power of architecture as a community process.

Terrassenhaus, 2018

In 2014, when looking for an architecture firm, the gallerist and entrepreneur Olivia Reynolds met architects Brandlhuber+ Emde, Burlon in the building for workshops and offices that they had designed at Brunnenstrasse 9. The building matched the client’s ideas about architecture and its objectives, so the decision was quickly made to develop a design concept together. With funds of her own, Reynolds acquired an old brownfield site, a former scrapyard. Because of complex planning constraints, the site was unattractive to classic investors. Not so for the client, who understood the potential of the plot and staked the project on the architects’ ability to creatively manage the restrictions imposed by the laws and planning regulations.

At the start of the design work there were no current development plans available. An old planning rule from 1958 only permitted commercial buildings to be erected on the site. On the other hand, there was a growing demand for housing as well as clauses guaranteeing the residential use of neighbouring buildings, suggesting a possible future change to the intended use of the site. The team of designers considered this situation as an opportunity to devise a building intended initially for commercial premises and subsequently for housing. Different depths of use for the units and interior designs reduced to the minimum would allow a potential programmatic conversion of the building.

The six-metre-deep terraces, facing south-west, form a cascade of external spaces framed by two flights of steps. They can be used by both occupants and visitors, in a new form of coexistence programmatically inscribed in public space. Use of space changes on a daily basis. On the spacious terraces that give the building its name, furniture can be set out or cleared, and gardening or other activities can take place.

Visitors move as if on a stage in front of the curtains of the actual spectacle. This “stage set” is based on a project that not only complies with the existing building regulations but also envisages the building’s future residential use. At the same time, it manages to leave a space open and accessible to the public. Inside the building, thanks to the staggered floors, units are created with depths varying from 11 to 26 metres and given diverse functions corresponding to various exhibitions.

The pitfalls of the market also played a part in the creation of this terraced housing. The process of adaptation was long and complicated, as was the operation of upgrading the general conditions to enable the working model to meet the needs of all parties involved while remaining faithful to the original concept. At the time of the building’s inauguration, it was evident that the investment and risk taken by the private client had been worth it. At present it is managed through a cross-financing model. Temporary rental units offset the additional costs, making it possible to continue building and designing the outdoor spaces while offering affordable long-term rental homes.

Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt (IBeB), 2018

With the IBeB development – an integrated construction project on the site of the former wholesale flower market – the architects ifau + Heide & von Beckerath rethink the provision of long-term affordable rental housing in terms of urban policy and community participation.

Incorporated into the creative district of southern Friedrichstadt, the building integrates affordable living space with creative businesses by introducing this mix of socially and ecologically sustainable uses in the neighbourhood. Next to Frizz23 and the Metropolenhaus, together with the new headquarters of the newspaper taz, the building is a model project for the alternative development of a Berlin neighbourhood.

The sale of the property was detached from the market, and took place based on the concept of the project – one of the first such procedures in Berlin. Instead of offering the three building plots to the highest bidder, as usually happens, the municipality sold the plots surrounding the area of the former wholesale flower market below the market price, favouring a design concept that would enrich the neighbourhood with an enduring added value.

The IBeB project is notable for two primary objectives. One is the linking of life and work, with the consequent response to the spatial needs of its users. The second is the very specific combination of different forms of ownership, which in an elaborate three-dimensional system are closely entwined and no longer distinguishable from each other. There are spaces for workshops and private living spaces, alongside accommodation managed by cooperatives and apartments used by social bodies, supplemented by retail spaces on the ground floor.

The relatively low price of the plot, reflecting the conceptual principle on which it was established, was deliberately used to promote a rich social mix. Subsidised housing and workshops managed by cooperatives were made possible by the profit gained through the sale of privately owned properties at market value.

Particular attention was focused on involving the owners and representatives of the cooperatives in the decision-making process. This allowed the community to collectively define its spatial and social priorities and set shared standards and structures. Given the size of the scheme, there were some restrictions on individual floor plans. As with a city, the architects worked on the development process with different types of housing. Residential units of different sizes were laid out, equipped with spatial options and building methods that enabled the inhabitants to make their own alterations at a later date.

The courtyards with internal skylights are a distinctive architectural feature, shedding additional daylight inside the home units to increase their range of use. The drive, also lit by light wells, is connected by two stairways with internal stairs leading to different horizontal paths through the building. Like a rue intérieure, it links the apartments with the urban neighbourhood. From the interior, the building offers opportunities for daily meetings and community life without barriers in the urban setting through the spatial design of the 66 home units and 17 workshops.

Wohnregal, 2019

The Wohnregal project by FAR frohn&rojas also started with the problem of the site. The search for a suitable space took two years, until a vacant plot was found in the centre of the Berlin quarter of Moabit. It was built up as a sequence of perimeter city blocks with internal courtyards. Until not long ago undesirable for living, this site has been transformed in recent years into a much sought-after location.

This six-storey residential and commercial building differs sharply from the heterogeneous context of Moabit, a low-density Berlin quarter, characterised not only by post-war terraced housing but also by industrial buildings of the Güterbahnhof in the north and by those of Westhafen.

The contrast is heightened by the building’s smaller prefabricated concrete structure. Typically used for commercial spaces, this material is given a different use, stimulated by the potential and freedom of systemic construction. What degree of freedom do prefabricated elements allow, and what kind of quality can they produce?

The principle of industrial building is applied to housing through repetitive modular juxtaposition. Two floors form an independent static system consisting of two-storey modules with two rows of supports fixed on the long sides, a ring anchor on each floor and, resting on it, the false ceiling with T-beams.

The load-bearing structure and the facade are given a very static expression due to the limitations of the prefabricated parts and their dimensions, in contrast with the free-standing structure in both the commercial and residential areas. On each of the five upper floors there are two residential units – respectively a rental apartment on the west side and a small workshop on the east, which can be planned individually as a result of the flexibility in subdivision and size.

Unlike the other two projects, this one embodies a structural approach to current issues of residential building, above all with the use of cost-saving construction elements. The project rests on a profound understanding of industrial manufacturing applied to civic architecture. The design work took a year, and a further year was spent on construction detailing. In contrast, the bare shell was completed within six weeks. The aesthetics of the rough construction that emerged from this – with overlapping grid facades facing east and west and generous floor plans – are all features determined by the prefabricated elements. Moreover, they also relate to various structures in Moabit while reflecting the social values adopted by the architects to provide homes and workspaces at affordable prices.

Observation of all three projects reveals a basic point, one that today should be at the centre of the architectural discourse and public debate about the creation of quality living spaces. We urgently need a greater number of courageous, experimental projects, community-based and diversified, in which architects can think outside the box, offering new ideas and visions, ignoring conventional approaches, while working with users and investors. Today this only seems possible when the architects themselves take on the role of clients while accepting the risk potentially bound up with it. It is also important to transfer innovative concepts that have already been successfully tested in smaller projects to a larger scale. There is a clear need for public and private clients who entrust large-scale building commissions to architects who are ready to work on bold new design concepts. It is a political question to set the right course to ensure better housing for everyone in Berlin.

16/11/2021No Comments

Architekturpraxis von morgen – neudenken heute.

Diese Ausgabe von LAMA fragt nach den Anforderungen, die eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige, gesellschaftsbildende Architekturpraxis erfüllen soll. Klar ist, dass es sicher nicht die eine Antwort oder die eine Lösung auf eine Frage einer solchen Größenordnung gibt. Vielmehr stellt sich mir die Frage, welche Ebene der Betrachtung Gestalter*innen wählen, wenn sie sich über die Neuausrichtung der eigenen Praxis Gedanken machen. Wie im Entwurfsprozess, spielt der Maßstab, mit dem man sich einer Fragestellung annähert, eine erhebliche Rolle für den Lösungsansatz.

Question the Brief

Wenn wir heute über Architektur als raumbildende Praxis sprechen und nachdenken, passiert das genauso wie in vielen anderen Branchen in den komplexen Zusammenhängen eines globalen Maßstabs: Die in der kürzlich fertiggestellten Neuen Nationalgalerie in Berlin verbauten Glasscheiben wurden in extragroßen Überseecontainern um die halbe Welt geschifft, weil diese Größe nur noch in China produziert wird. Die Weltmarktpreise für Holz, die mitunter durch geopolitische Faktoren stark nach oben getrieben wurden, pendeln sich gerade wieder ein – nachdem viele mittelständische Unternehmen an den extremen Schwankungen zerbrochen sind. Sandabbau im Rahmen der Zementherstellung – der wohl bekannteste „unangenehme Nebeneffekt“ des Bauens – fand unlängst sogar Erwähnung im Programm von Jan Böhmermann.[1] Die Schattenseiten des Bauens als Format der Popkultur.

Die Aufzählung lässt sich beliebig erweitern und um andere Themenkreise ergänzen. Klar wird: Bauen lässt sich heute genauso wenig wie andere Branchen abseits globaler Zusammenhänge betrachten. So wie unser gesamtes ökonomisches System basiert Architektur auf der Ressourcenausbeutung unseres Planeten. Allzu oft ist diese systemische Einbettung von Architektur – vom Abbau der Ressourcen, über Kapitalströme am globalen Immobilienmarkt, bis hin zu politischer Manifestierung von Machtverhältnissen durch Gebautes – eine unhinterfragte und unreflektierte Ausgangsbasis des Schaffens von Architekt*innen.

Das Nachdenken über neue Ansätze der Architekturpraxis fängt jedoch genau hier an: bei den systemischen Grundpfeilern, auf denen die Arbeit von Planer*innen beruht. Ohne das Vermögen, zu verstehen, in welchen Kontexten Planung und Bauen stattfindet, ohne aktiv zu reflektieren, dass unsere Existenz an endlichen Ressourcen hängt, die wir immer schneller übernutzen,[2] wird es uns nicht gelingen, Architekturschaffen fundamental neu auszurichten.

Stop Building?

Die materielle Dimension von Bauprozessen und die Einbettung in die ökonomischen Logiken unserer Welt sowie damit verbundene Verantwortungen werden im Diskurs um die Klimakrise vermehrt thematisiert und lassen sich nicht länger ignorieren. Was Donna Haraway als „the appropriation of nature as resource for the productions of culture“[3] bezeichnet, spiegelt sich auch in unserer gebauten Umwelt wider, die von den globalen, neokolonialen Modi des Extraktionskapitalismus geprägt ist. Die Folgen sind sichtbar, und immer deutlicher auch spürbar.

Der Bau und Betrieb von Gebäuden ist für rund 38 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen[4] verantwortlich und trägt damit wesentlich zu den globalen Umweltbelastungen bei. Diese Erkenntnis bewegt immer mehr Menschen in der Branche dazu, das eigene Handeln zu überdenken. Waren der inflationäre Gebrauch des Wortes „Nachhaltigkeit“ sowie technologische Lösungen die bisherigen Gradmesser für „Umdenken“, stellen sich nun auch Architekt*innen systemische Fragen. Als gesetzt geltende Grundannahmen der Branche werden zunehmend zur Diskussion gestellt, da immer klarer wird, wie umfassend wir unser Handeln verändern müssen, um dringend notwendigen Wandel herbeizuführen.

Als im März 2020 der Aufruf von Bruno Latour zirkulierte,[5] den durch die Pandemie verursachten Moment des Stillstands zu nutzen, um den modus operandi unserer Wirtschaft zu überdenken, ging es auf vielen Baustellen weiter wie bisher. Der Grundgedanke des Innehaltens und Reflektierens – und die Tatsache, dass es diesen Moment im Bausektor eben gerade nicht gab –, führte zur Initiative Global Moratorium on New Construction.[6]

Mit dem provokanten Vorschlag, jegliche Form des Neu-Bauens über einen begrenzten Zeitraum vollkommen einzustellen, eröffnete das Format in mehreren Runden zu unterschiedlichen Schwerpunkten – Stop Construction?, Pivoting Practices, Non-Extractive Design, Seeking Policy – den Diskussionsraum für ein interdisziplinäres Überdenken des status quo der Produktionsbedingungen in der Architektur: Is new construction necessary? Stop Building!

Architecting beyond Materialisation

Was würde es also für Architekt*innen bedeuten, nicht mehr zu bauen? Ist das überhaupt vorstellbar? Lassen wir uns auf den Gedanken ein: Wo und wie siehst du dich als Architekt*in, wenn du nicht mehr baust? Was sind dann deine Aufgaben? Vermutlich erzeugt allein der Gedanke inneren Widerstand oder zumindest Verwunderung.

Die Vorstellung des „Weniger“ oder gar „Nicht-Tuns“ kollidiert mit den Logiken unseres kapitalistischen, von Wachstum getriebenen Wirtschaftssystems. Rütteln wir an diesem System, heißt das nichts weniger als tief verwurzelte Grundideen – wie beispielsweise die des homo oeconomicus – in Frage zu stellen. Die ökonomische Ideengeschichte ist geprägt von eben diesem egoistischen Leitbild des Menschen, der in jeder Situation darauf bedacht ist, kühl und kalkuliert allein zu Gunsten des maximalen persönlichen Vorteils zu entscheiden.

Doch echte Menschen kooperieren, haben Mitgefühl und messen Dingen auch abseits einer Kosten-Nutzen-Logik Wert zu. Trotzdem hat das idealisierte Berechnungsmodell des homo oeconomicus Effekte auf die reale Welt. Der Vorstellungsraum, in dem sich Ökonom*innen bewegen, prägt besonders seit den 1960er-Jahren im Rahmen einer neoliberalen Wende unser Selbst- und Weltverständnis. Wenn wir fundamentale Veränderung wollen, müssen wir diese Denk-Fundamente unserer Gesellschaft kritisch reflektieren und neu bewerten.[7]

Mechanismen und Annahmen, die auf diesem Ideenmodell basieren, gilt es auch in der Architektur zu hinterfragen, während es parallel dazu brancheneigene Mythen aufzubrechen gilt. Gestalter*innen sind Teil der Kommodifizierung von Raum. Wohnen ist längst eine heiß gehandelte Ware, Architektur wird eingesetzt, um Profit zu steigern. Architekt*innen müssen sich nicht nur für oder gegen ein Material entscheiden, sondern auch bewusster mit der Agenda hinter gebautem Raum umgehen. Die Raumgreifung des in global agierenden Real Estate Indices geparkten Kapitals ist eng geknüpft an die Grundrisse und Fassadenstudien, die in Büros über den Tisch gehen – und an die steigenden Mieten, die alle zu spüren bekommen.

Doch Verantwortung dafür zu übernehmen, wofür oder von wem man sich einspannen lässt –faschistische Regime, zwielichtige Investoren, etc. – scheint wenig attraktiv. Kollektiv wird weggeschaut, weil man ja doch froh ist, mal wieder irgendwo ein bombastisches Gebäude hinstellen zu können. Prototypisch für die Ignoranz in der Branche steht eine ganze Generation von Stararchitekten, die, wie Stephan Trüby es nennt, in ihren Rechtfertigungsstrategien „zwischen autohypnotischem Optimismus und Whataboutismus“ changieren. „Die Wiederholung immergleicher rhetorischer Versatzstücke kündet von der Unmöglichkeit, gleichzeitig kritischer Intellektueller zu sein und ein weltweit erfolgreiches Architekturbüro zu führen“, resümierte Trüby kürzlich zu Rem Koolhaas in der NZZ.[8]

Reboot the System

Die Zeit der Stararchitekten ist vorbei. Dennoch prägen die Werke, der Genie-Mythos und die Ideale weiterhin viele Architekturschulen und damit kommende Generationen von Architekt*innen. Von jungen Berufseinsteiger*innen ist zunehmend der Wunsch nach mehr Sinnhaftigkeit im Beruf zu hören. Viele sind enttäuscht von der Realität, die sie in den vielen Stunden vor dem Bildschirm einholt: Das Durchzeichnen von Investorenarchitektur, die nach Schema P (Profitmaximierung) funktioniert. Die Freiheiten der grünen Wiese, die immer noch der Ausgangspunkt vieler Entwurfsstudios ist, scheint Studierende ebenso enttäuscht zurückzulassen. Konkretes Wissen und Handlungsspielräume, die die systemischen Parameter, die Architekturproduktion heute beeinflussen mitdenken, fehlen weithin – sowohl in der Lehre als auch in den Büros. Man kann diese Feststellungen nun als anekdotische Evidenz abtun, oder sich fragen, wie man es anders machen kann.

Die Disziplin „Architektur“ – und damit auch und besonders die Generation der Boomer, die gerade Machtpositionen innehaben – scheint ihre Rolle in der Phase der Transformation, in der wir uns derzeit befinden, noch nicht zu verstehen. Architekt*innen sind immer weniger Entscheidungsträger*innen und stattdessen immer häufiger reine Dienstleister*innen – oft verantwortlich für die Verpackung von Veränderungen, aber ohne strukturelle Macht und Einfluss auf das root problem.

Architektur kann mehr sein als Handlanger. Jenseits des Paradigmas des freien Marktes und emotional aufgeladener Begriffe wie Nachhaltigkeit, Sicherheit, Komfort und Innovation können Architekt*innen die Zukunft aktiv verändern, indem sie Veränderungen denken, planen und bauen. Dabei können sie gesellschaftliche Verhältnisse ordnen und neue Formen des Zusammenlebens ermöglichen. Schon heute finden wir Projekte, Modelle und Systeme solcher alternativer Ordnungen. In ihnen übernehmen Architekt*innen neue Rollen und denken Architektur über das gebaute Objekt hinaus, systemisch und ganzheitlich: in Raum und Zeit, eingebettet in das, was es bereits gibt.

Angesichts neuer Realitäten müssen Architekt*innen neue Werkzeuge, Regeln und Gesetze erdenken, um Entwicklungen zu verstehen, zu beschreiben und ein neues Handeln zu gestalten. Aktiv die eigene Profession neu zu entwerfen ist der erste Schritt. Architekt*innen können sich glücklich schätzen, zählen sie das Imaginieren von Zukünften, das Planen von Möglichkeiten, die es erst noch zu schaffen gilt, doch zu ihren grundlegenden Fähigkeiten. Der Prozess des Neudenkens findet lediglich in einem anderen Maßstab statt.  Gestaltungspotenzial gibt es genug.


[1] Vgl. ZDF Magazin Royale: „Sand: Der zweitwichtigste Rohstoff der Welt!“, Sendung vom 09.04.2021, online unter: https://youtu.be/AsvAsB1HDTM

[2] Der Earth Overshoot Day fällt 2021 auf den 29. Juli. Dann hat die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen und damit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. www.overshootday.org

[3] Haraway, Donna: „A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist Feminism in the Late Twentieth Century“, in: dies.: Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature, New York 1991, 149–181.

[4] Vgl. Global Alliance for Buildings and Construction (Hg.) u. a.: 2020 Global Status Report for Buildings and Construction, 16.12.2020, online unter: globalabc.org/our-work/tracking-progress-global-status-report

[5] Vgl. Latour, Bruno: What protective measures can you think of so we don’t go back to the pre-crisis production model?, 29.03.2020, online unter: www.bruno-latour.fr/sites/default/files/downloads/P-202-AOC-ENGLISH_1.pdf

[6] Eine Initiative von Charlotte Malterre Bartes und Brandlhuber+/bplus.xyz (Olaf Grawert, Angelika Hinterbrandner, Roberta Jurčić und Gregor Zorzi), die für die Notwendigkeit einer drastischen Änderung von Bauprozessen plädiert: die Aussetzung neuer Bauaktivitäten. Im Rahmen einer Reihe von Diskussionsrunden und Veranstaltungen sollen Architekt*innen und Planer*innen, aber auch andere Akteur*innen aus der Industrie, politische Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen adressiert werden. Die Rolle des Bauwesens bezüglich anhaltender unhaltbarer ökologischer und sozialer Ungerechtigkeit wird aufgezeigt und neue Handlungsoptionen werden ausgelotet. Mehr Informationen online unter stop.construction

[7] Vgl. Göpel, Maja: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020. 56ff.

[8] Trüby, Stephan: „Wem nützt ein Grossprojekt in China? Auch beim Bauen wird um die richtige moralische Haltung gekämpft“, in: NZZ online, 19.08.2021, online unter: www.nzz.ch/feuilleton/der-architektur-unser-zeit-steht-die-hypermoral-ins-haus-ld.1640688


19/04/2021No Comments

Counter-architecture. Re-constructing Reality

Legislating Architecture started as a project, initiative and workshop in 2015 at the ETH Zurich, where Arno Brandlhuber and Christopher Roth conducted a workshop with students under the same title. Asking how legislation and architecture are intertwined, they tried to understand the practice of political participation in Switzerland as a domain of design and thus as form of architecting. From this starting point a broad set of questions emerged:

Can constraints and conditions also be understood as tools of design rather than obstacles? Can planners and designers influence the definition of these constraints and conditions instead of being mere executors? Why is legislation, that influences how and what we build written by governments, ministries, and, increasingly, by ghostwriters such as law firms and business consultants but not by architects?

Making the legal constraints of a project the point of departure for creative processes means taking the societal constructions behind the law seriously – critically reflecting and questioning these constructions at the same time. During the design process legal texts undergo a “close reading,” a permanent process of collective revision and rewriting – a process that, in the best case, is not only reflective but actively laying ground for new interpretation and enabling better (architectural) solutions in the future. The critical approach of working with the law becomes at the same time part of the built reality: Cultural and socioeconomic influences that are codified in the law turn literally into architecture and make the built work thereby the stage of negotiation considering how we want to live, work and be together as a society.

Today, in 2021, the question about how we want to live together is more pressing than ever. On one hand public sector’s loss of power and dwindling influence on the design of our built environment can be seen across the world. Private sector actors are increasingly driving the pressure for growth and optimization of space under the free market paradigm. Space is a product, and citizens become users – on both municipal and global-political scales of city and country. Public space is conceived and understood entrepreneurially, and the upshot is the restricted accessibility of public spaces. The commercialization of our coexistence attains its apogee in the planning strategies and urban visions of global technology companies that see our environment as the capital for their individual economic success. Design plays a complicit role in the process of environmental degradation, social injustice, and climate crisis.

The discipline of “architecture” does not seem to understand its social role in change or is not able to communicate it to the outside world. Although architecture is at the center of public attention, its own image and that of the outside world diverge. Architects are less and less decision makers in the thinking and doing of our built and unbuilt environment. More and more often architects become mere service providers – often responsible for the packaging of change, but without structural power.

But architecture can do more. Beyond the paradigm of the free market and emotionally charged concepts such as sustainability, security, comfort and innovation, architects can actively change the future by thinking, planning and building change. And in doing so, they can order social relationships and enable new forms of coexistence. Already today we find projects, models and systems of these alternative orders. In them, architects are taking on new roles and thinking architecture beyond the built object, systemically and holistically: in space and time. In the face of these new realities, we as architects need (to think of) new tools, rules, and laws if we are to understand these developments, describe them, and design a new agency.

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